Rywig 01 - Bleib bei uns Beate by Berte Bratt

Rywig 01 - Bleib bei uns Beate by Berte Bratt

Autor:Berte Bratt
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-01-09T16:00:00+00:00


Frühlingssonne im November

Es wurde spät, bis der Doktor und Bernt wiederkamen.

Ich hatte die Zwillinge ins Bett verfrachtet, und nun saß ich vor dem Kamin im Wohnzimmer mit dem unglückseligen Bären auf dem Schoß. Ich hatte das Gefühl, daß ich mit meinen Nähkünsten hier weiterkommen würde als der Doktor mit seiner chirurgischen Geschicklichkeit. Ich mühte mich und stichelte und nähte den Schlitz auf dem Bauch zu und brachte Arme und Beine wieder an Ort und Stelle. Dann tauchte ich tief in Tante Julies hinterlassenen, musterhaft geordneten Lumpenbeutel hinein und suchte ein Stück leuchtend roten Stoff hervor. Aus diesem bastelte ich eine Jacke für Teddy, die die Narben auf seinem Rumpf verdecken sollte.

Hin und wieder warf ich einen Blick auf das Feuer im Kamin und stellte mit Freude und Befriedigung fest, daß die letzten Überreste des Rohrstockes allmählich verkohlten.

Endlich hörte ich den Wagen. Ich steckte den Bären schnell unter ein Sofakissen und nahm das Strickzeug zur Hand. Bernt sollte nicht sehen, was ich vorhatte.

Dann kamen sie. Vater und Sohn.

Ruhig, gelassen, ausgeglichen. Und wieder fiel mir die Ähnlichkeit zwischen ihnen auf. Die klaren, klugen, dunkelgrauen Augen. „Na, sind Sie noch immer auf, Beate?“

Ehe ich noch antworten konnte, lachte der Doktor kurz auf und machte plötzlich ein verlegenes Gesicht.

„Sie müssen entschuldigen, Fräulein Hettring. Es sind die Kinder, die mich anstecken, und dann vergesse ich mich und nenne Sie auch Beate.“

„Das macht doch nichts, Herr Doktor. Ich finde es nur nett. Die formelle Anrede können Sie sich aufheben für den Fall, wenn Besuch kommt.“

„Tante Julie zum Beispiel?“

„Ja, Tante Julie zum Beispiel.“

„Ich sollte grüßen. Und übrigens, vielen Dank, daß Sie so reizend zu ihr waren. Es hat ihr ordentlich gutgetan.“

„Nun, ich meinte es ehrlich. Ihre Tante hat wirklich das Haus vorbildlich instand gehalten und den Kindern gute Manieren beigebracht.“

„Jaja. Das ist immerhin was. Weißt du, Bernt, es ist nahe elf Uhr. Möchtest du nicht schleunigst in die Falle gehen?“

„Jaja. Ich dachte nur - ob vielleicht noch ein paar Kirschen übrig sind, ich habe so wenig abgekriegt vorhin...“

„Nimm sie mit zu dir rauf, Bernt, sie stehen im Kühlschrank.“ „Hmmm, vielen Dank, Beate. Und gute Nacht. Und - und -tausend Dank für - alles.“

„Gute Nacht, Bernt. Schlaf gut.“

„Na, gute Nacht, Papa. Du bist.“ Bernt stockte und wurde rot. „Was bin ich? Ein alter Griesgram?“

„Das auch. Aber ich wollte sagen: ein feiner Kerl.“

„Da muß ich wohl ,danke gleichfalls’ sagen, mein Junge. Schlaf nun gut, trotz allem.“

Der Doktor und ich blieben allein. Ich holte den Bären unter dem Kissen hervor und setzte meine „Operation“ fort. Der Doktor warf einen Blick auf meine Arbeit, ohne etwas zu sagen. Dann erhob er sich, und im nächsten Augenblick plumpste ein Paket in meinen Schoß.

„Bitte. Mögen Sie Schokolade?“

„Na, und ob! Tausend Dank, aber das ist doch viel zu.“

„Denkt nicht dran, es ist nicht viel zu. Ich habe sie im Bahnhofskiosk gekauft, übrigens mit Bernts rückhaltlosem Einverständnis.“

„Das ist aber furchtbar lieb von Ihnen.“

„Ach, übrigens, was das furchtbar lieb’ anbetrifft - ich habe so ein dumpfes Gefühl, als hätten Sie Anspruch auf eine Antwort von mir.“

„Eine Antwort?“

„Ja, eine Antwort auf Ihren - hm - Ihren Monolog, den Tante Julie unterbrach.



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