Mehr als das by Patrick Ness

Mehr als das by Patrick Ness

Autor:Patrick Ness
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Tags: Jugendroman
Herausgeber: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-02-09T23:00:00+00:00


43

Der Weg zu den Eisenbahngleisen ist ihm mittlerweile vertraut. Der Mond scheint hell genug, sodass er die Taschenlampe nicht braucht. Um ihn herum herrscht vollkommene Stille. Keine Grillen. Keine Eulen. Noch immer kein Wind, trotz des Regens, der vorhin gefallen ist.

Er bleibt wachsam, bereit, bei der geringsten Bewegung loszurennen, erreicht aber ohne Zwischenfall die kleine Gasse, die zum Bahnhof führt. Während er an dem Zug entlangschleicht, fragt er sich, ob Wildschweine nachtaktiv sind. Leise springt er ins Gleisbett und blickt zum Gefängnis.

Die Gleise sind merkwürdig wenig überwuchert. Hier und da hohes Unkraut, vor allem aber Kies und kümmerliches Gras, das ihm kaum bis zu den Knöcheln reicht. In südlicher Richtung sieht er die Schienen noch in der Ferne im Mondlicht glänzen. Vielleicht wirkt ja der jahrelange Einsatz von Pestiziden noch nach.

Parallel dazu verläuft eine gepflasterte Trasse – wahrscheinlich für Bahnarbeitertrupps –, die noch in ziemlich gutem Zustand zu sein scheint. Dort geht Seth hin und verlässt das Bahnhofsgelände. Zu seiner Linken, jenseits der niedrigen Zäune, sieht er einen Teil des abgebrannten Wohnviertels liegen. Es ist zu dunkel, um Details auszumachen, nur Schatten in der Landschaft, die auch Grabsteine sein könnten. Nirgends eine Regung, nur trostlose Ödnis, mit der Silhouette des Masons Hill am Horizont.

Er weiß aus der Erinnerung, dass diese Gleise bis zum Ozean führen, obwohl sie diesen Ausflug nur ein paarmal unternommen hatten, was, offen gesagt, ungefähr so reizvoll war wie die Küste von Halfmarket. Nichts als Felsen und Klippen und haarsträubend kaltes Wasser. Doch wenn der Zug auf dem Weg dorthin aus dem Bahnhof gefahren war, kam er zuerst an Reihen haushoher Zäune und Mauern vorbei, aus Maschendraht und Ziegeln, von Türmen bewehrt, die zwischen den Bäumen ringsum hervorragten. Eine Architektur, die sich in ihren eigenen Faltenwürfen versteckte: das Gefängnis.

Im Mondschein sieht er in der Ferne schon einen der Türme zwischen den Baumwipfeln hervorschauen. Wahrscheinlich sind es bis dahin kaum zehn Minuten zu Fuß, dabei findet er, es sollte Stunden in Anspruch nehmen.

Zehn Minuten scheinen viel zu wenig.

Sie reichen nicht annähernd aus, um sich innerlich zu wappnen.

Er geht weiter den gemauerten Weg entlang, die Taschenlampe in der Faust wie das Unding seinen Knüppel. Er prüft alle naslang, ob das Wildschwein ihm auch nicht folgt; dort ist die Brücke über die Gleise, von der aus er zum ersten Mal das ausgebrannte Viertel gesehen hat und Tomasz zum ersten Mal ihn.

Er fragt sich, ob sie beunruhigt waren, als sie feststellten, dass noch jemand hier war. Oder sogar Angst hatten. Um ihn. Vor ihm. Und was hatten sie gedacht, als sie ihm beim Duschen zusahen? Auf so intime Art? Er spürt, wie er rot wird, obwohl Regine genauso peinlich berührt gewirkt hatte wie er, und Tomasz es mit demselben Enthusiasmus aufgenommen hatte wie alles andere.

Erneut spürt Seth einen Stich, weil er Tomasz hat gehen lassen. Er stellt sich vor, wie er jetzt fröhlich in ihrem Haus darauf wartet, dass er zu ihnen stoßen wird. Und denkt an Regine, die meint, sie wisse es besser. Was vielleicht auch stimmt.

Tomasz und Regine. Ein



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