Die Gescannten by Robert Sonntag

Die Gescannten by Robert Sonntag

Autor:Robert Sonntag [Sonntag, Robert M.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783733651299
Herausgeber: Fischer Kinder- und Jugendbuch Verlag E-Book


Die Freunde

Zeig Freundesliste, dachte Nana.

Drei Tage waren seit dem Besuch vom alten Li vergangen. Und seit drei Tagen hatte sie keinen Grund gehabt, die Wohnung zu verlassen. Wieso auch? Der Denker brachte die Welt zu ihr.

Die Freundesliste blitzte auf. Der Raum füllte sich mit Gesichtern, Bewertungen und Kommentaren. Der Boden, die Decke und die Wände waren tapeziert mit Leuten und dem, was sie gerade dachten.

Der Frosch hüpfte aufgeregt durch den Raum. »Besuche die Tandem-Denker-Box – deine Premiumfreundin Aila fragt an!«

»Nein«, sagte Nana.

»Soll ich dich in einer Stunde oder in zwei Stunden daran erinnern?«, fragte der Frosch.

»In zwei.«

Bisher hatte Nana mit keinem über den Unfallfilm gesprochen, nicht einmal mit ihrer Mutter. Sie wollte den Besucher abwarten, von dem Li gesprochen hatte. Wer würde es sein? Und was würde das ändern?

Wenn sie darüber nachdenken wollte, schloss sich Nana ins Badezimmer ein. Einen anderen Ort ohne Ultranetz-Empfang kannte sie nicht. Nur hier waren ihre Gedanken frei. Und hier konnte sie sich auch unbeobachtet die letzten Filmminuten von Nomos immer wieder ansehen.

»Schatz«, meldete sich Nanas Mutter. Ihr Gesicht schwebte mitten im Raum, neben dem Bett. »Ich komme heute später nach Hause.«

Nana tippte auf Überstunden.

Ein Mann spazierte durch ihr Zimmer, als wäre es ein Laufsteg. Vielleicht Mitte 40, so wie ihre Mutter. Er trug einen schwarzen Mantel mit blauen Leuchtstreifen. Er drehte sich um die eigene Achse, und der Mantel flatterte ihm nach.

Der Typ sah aus wie ein Model. Sein Profil leuchtete auf dem Mantel auf. Nana überflog die Daten und staunte über die Zahl am Ende der Auflistung.

»87 Prozent Übereinstimmung«, sagte Nana.

Bei Nomos waren es 70 Prozent, dachte ihre Mutter. Der Gedanke war ihr unangenehm, und sie räusperte sich verlegen.

Ist schon okay, dachte Nana.

Ihre Mutter musste sich für den Gedanken nicht schämen. Ultra-Partner suchte seit einem halben Jahr nach einem passenden Mann für sie. Nana war froh darüber. Endlich wollte ihre Mutter neu anfangen, nach dreizehn Jahren. Da kam dieser Film mit seinem Unfall zum falschen Augenblick!

70 Prozent Übereinstimmung, das war knapp gewesen damals. Wenn die Profile weniger als 68 Prozent übereinstimmten, erteilten die Behörden keine Genehmigung. Heiraten durfte man gegen hohe Gebühren zwar schon, aber Kinder waren untersagt. Zwei Prozentpunkte weniger, und es würde mich nicht geben.

Aber es gibt dich, du bist da, dachte ihre Mutter. Ich muss los, mein Schatz!

Nana drückte eine Aromatab in den Automaten. Viel Spaß euch beiden. Und bewerte ihn nicht zu hart!

Ihre Mutter war bei den letzten Dates zu streng gewesen.

»Lass es dir schmecken, Nana!«, sang der Automat und drückte eine warme, hellgraue Paste in einen Becher.

Nana löffelte auf ihrem Bett den Becher leer, legte sich hin und schlief ein.

Etwas klopfte, und sie suchte die Wand ab. Keine Anzeige. Wieder klopfte es.

Der Frosch hüpfte in den Raum. »Na, wer ist denn das?«

»Keine Ahnung«, sagte Nana.

»Ich schaue mal«, sagte der Frosch.

Nana blickte ihm nach. »Warte! Komm zurück!«

Sie sprang auf, rannte zum Frosch und schnitt ihm den Weg ab.

Der Frosch schaute beleidigt. »Wieso bist du so aufgeregt?«

Nana überlegte. Was sollte sie jetzt sagen?

Sie zog den Denker aus dem Kopfport. Der beleidigte Frosch löste sich auf, der Raum sah wieder grau und kalt aus.



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