Wie ich meine Angst verlor - und wie Ihnen das auch gelingen kann by dtv

Autor:dtv
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2014-06-14T16:00:00+00:00

Ausatmen ist der erste Schritt

Nachdem ich mich lange erfolglos mit Psychotherapie beschäftigt hatte, kam die erste von mehreren Lösungen für meine Probleme überraschend. In einem Buch fand ich eine Anleitung zum Atmen in Angstsituationen. Dort stand, dass es darauf ankäme, länger aus- als einzuatmen.

Ich wusste, dass man während einer Panikattacke hyperventiliert, das heißt zu schnell und zu heftig atmet, und hatte das selbst bereits erfahren. Normalerweise atmete ich jedoch nicht hektisch. Trotzdem waren mir bis zu diesem Zeitpunkt zwei Dinge unbekannt.

Mir war nicht klar, dass ich generell zu kurz ausatmete. Ich atmete ungefähr zehn Mal pro Minute. Dabei waren der Ein- und Ausatem in etwa gleich. Wenn man entspannt ist, atmet man allerdings länger aus als ein. Bevor man erneut einatmet, kann sogar eine kleine, natürliche Atempause entstehen. Deswegen braucht man sich keine Sorgen zu machen. Der Atemimpuls setzt vollkommen verlässlich wieder ein. Atemnot entsteht dabei in keiner Weise.

Außerdem war mir neu, dass man die Entstehung oder Zunahme der Angst verhindern kann, indem man bewusst langsam ausatmet. Ich bekam schon bald die erste Gelegenheit, diese Technik auszuprobieren.

Der Schriftsteller Amos Oz war zu einer Lesung in Hamburg und ich hatte bei der Veranstaltung, die in einem großen Saal stattfand, einen Platz mitten im Raum gefunden. Der Abstand zum linken wie zum rechten Rand der Sitzreihe war gleich, ebenso wie der zur ersten und zur letzten Reihe. Die Lesung war ausverkauft. Sogar die oberen Logen waren voll besetzt.

Als Oz zu lesen begann, merkte ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Ich bekam Platzangst. Psychologen nennen sie Agoraphobie, aber das half mir in dieser Situation auch nicht weiter. Platzangst wird oft mit Klaustrophobie (Raumangst) verwechselt. In meinem Fall hatte ich keine Angst in einem engen Raum zu ersticken – der Saal bot allen genug Sauerstoff für die nächsten drei Jahre –, sondern ich befürchtete, nicht schnell genug wegzukommen bzw. aufzufallen, wenn ich meinen Platz, warum auch immer, verlassen wollte.

Apropos Agoraphobie beziehungsweise Klaustrophobie: Wer sich für die Grundformen der Angst interessiert oder alle derzeit verfügbaren Phobien einzeln aufzählen möchte, findet dazu übrigens spezielle Literatur. Mir hat keines dieser Bücher weitergeholfen. Sie sind wohl mehr für diejenigen geschrieben, die glauben, das Problem sei gelöst, wenn es benannt (diagnostiziert) werden kann. Im Prinzip kann man vor allem Angst haben, vor Spinnen, Fahrstühlen und Glühbirnen ebenso wie vor einer Sonnenfinsternis. Jeder dieser Ängste einen Namen zu geben, könnte zu einer lebenslangen, wenn auch nicht erfüllenden Beschäftigung werden. Einige Psychologen arbeiten jedoch daran. Mögen sie glücklich dabei werden!

Platzangst kann sich leicht zur Panik steigern, was ich an dieser Stelle ausdrücklich bestätigen kann. Während ich nämlich meine ungünstige Lage bemerkte, registrierte ich gleichzeitig meine zunehmende Anspannung und damit einhergehend die ersten Anzeichen einer Panikattacke. Was tun?

Vorübergehende Ablenkung verschaffte mir Wolf Biermann. (Ich dachte nicht, dass ich ihn überhaupt jemals in einem meiner Bücher erwähnen würde, und nun bereits zum zweiten Mal. Mal sehen, wie das weitergeht!) Also Biermann beschwerte sich lautstark und drastisch, dass die Zuhörer im hinteren Bereich des Raums Amos Oz nicht verstehen könnten. Nachdem der Veranstaltungsleiter

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