9783861535928Agent by Unknown

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Autor:Unknown
Format: epub
veröffentlicht: 2010-12-17T05:00:00+00:00


Der Übertritt

Die letzten Wochen im MfS war ich damit beschäftigt, möglichst unauffällig die wichtigsten Materialien zusammenzustellen, die ich mitnehmen wollte. Das waren Hinweise auf Westagenten, grundsätzliche Dienstdokumente und als »geheim« eingestufte Schriftstücke. Einen Teil davon versteckte ich in der Marienburger Straße in einem Zwischenraum über der Küchendecke meiner KW; was ich dienstlich rechtfertigen konnte, beließ ich in meinem Arbeitszimmer.

Dann kam Donnerstag, der 18. Januar, mein Tag X. Meine Kollegen wähnten mich auf Dienstreise im Süden der Republik, doch ich packte in der »Burg« meine Sachen zusammen und beseitigte alles, was irgendwie verdächtig sein könnte. Hier empfing ich auch den allerletzten Spruch aus Pullach. Am Abend, als ich annahm, dass alle Kollegen nach Hause gegangen waren, fuhr ich zum Ministerium, stellte das Auto aber in einer Nebenstraße ab. In der fünften und sechsten Etage des HV A-Neubaus entlang der Frankfurter Allee, wo die Dienstzimmer meiner Abteilung lagen, waren alle Fenster dunkel. Beim Offizier vom Dienst nahm ich mir den Abteilungsschlüsselkasten vom Bord, was durchaus nicht unüblich war, wenn man in dringenden Fällen noch etwas zu erledigen hatte. Auf diese Weise kam ich nun auch ins Zimmer des Abteilungsleiters, in dessen Schrank besonders interessante Unterlagen aufbewahrt wurden. Die hätte ich gern mitgenommen, aber der entsprechende Stahlschrank war massiv eingebaut, und ein gewaltsames Öffnen mit Hammer und Meißel hätte zu viel Krach gemacht. Einfacher hatte ich es dagegen mit dem Schrank der Sekretärin, auf den es mir ja auch ankam. Er stand frei im Raum, so dass ich ihn kippen, ankanten und dann aufhebeln konnte, so wie wir es mit unseren eigenen Metall-schränken auch schon mal taten, wenn jemand den Schlüssel vergessen hatte. Hier fand ich, was ich brauchte: die Ein- und Ausreisekarten, die meinen gefälschten Pass komplettieren sollten. Aber nicht nur das: Ich entdeckte im Schrank auch Dienstaufträge für die Gepäckschleuse im Bahnhof Friedrichstraße, die Sonderausweise zum Betreten des Grenzgebietes und die dazugehörigen Reisepässe. Mit diesen Dokumenten konnte ich dort als MfS-Mitarbeiter auftreten und auch den Aktenkoffer unkontrolliert mitnehmen. Das schien mir sofort die bessere Fluchtvariante.

Beim weiteren Durchsuchen des Schrankes stieß ich noch auf andere brisante Unterlagen, darunter eine Materialliste, in der die in jüngster Zeit aus dem Westen eingegangenen nachrichtendienstlichen Informationen festgehalten wurden. Ich packte ein, was lohnend schien und noch in meine Tasche passte. Nach dem Verschließen aller Zimmer brachte ich den Schlüsselkasten zum OvD zurück und verabschiedete mich freundlich.

Auf dem Weg zur Friedrichstraße machte ich noch einmal in meiner alten KW Station, um das Formular für den »Besonderen Dienstauftrag« auszufüllen und mit einer gefälschten Unterschrift zu versehen. An der Friedrichstraße benutzte ich dann den »Diensteingang« des Bahnhofs. Durch einen kurzen Druck auf einen seitlich angebrachten Klingelknopf machte ich mich bemerkbar. Der Vorhang im Dienstraum wurde beiseite gezogen, und ein Kopf mit Offiziersmütze kam zum Vorschein. Ich hielt den Dienstausweis an die Glasscheibe. Ein Summen, und die Tür sprang auf. Der Raum dahinter war etwas größer. Rechts führte eine Treppe aufwärts zu den Räumen für das diensthabende MfS-Personal, das für die Grenzkontrollen eingesetzt war. Dort standen auch die Monitore, mit denen alle Bahnsteige überwacht wurden.



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