Die Gesellschaft des Zorns - Rechtspopulismus im globalen Zeitalter by Cornelia Koppetsch

Die Gesellschaft des Zorns - Rechtspopulismus im globalen Zeitalter by Cornelia Koppetsch

Autor:Cornelia Koppetsch [Koppetsch, Cornelia]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Gesellschaft, Gesellschaftswandel, Globalisierung, Identität, Mentalitätswandel, Politik, Politikwissenschaft, Politische Soziologie, Rechtsextremismus, Rechtspopulismus, Repolitisierung, Soziologie, Spätmoderne, Ungleichheiten, Wahrheit, truther movement
ISBN: 9783732848386
Herausgeber: transcript
veröffentlicht: 2019-05-30T22:00:00+00:00


RECHTSPOPULISMUS ALS THERAPIE

Populistische Rechtsparteien bieten über die Einladung zum politisch-sozialen Kampf hinaus auch die Möglichkeit einer politischen ›Therapie‹ für die unterschiedlichen Notlagen und Demütigungen, die aus Deklassierungen folgen. Diese politische Therapie zielt nicht auf die gesellschaftliche Zurichtung des Subjekts, sie ist kein ›Coaching‹ und auch kein auf das Individuum gerichtetes ›Empowerment‹ (Bröckling 2007). Der Appell zur Verhaltensänderung richtet sich dabei nicht an das Individuum selbst, sondern vielmehr an die Gesellschaft. Die vorgeschlagene Therapie besteht im Wesentlichen in der symbolischen Rehabilitierung des Subjektes durch die Wiederaufrichtung der aus der Sicht des Subjekts gerechten vergangenen Gesellschaftsordnung. Das politische Angebot der Rechtsparteien besteht somit in Re-Klassifizierungsangeboten, die das Subjekt durch das Versprechen rehabilitieren wollen, die früheren Spielregeln und Institutionen wiederherzustellen und auf diese Weise auch die verlorenen Einsätze und Investitionen des Subjekts zurückzubringen. Hier lassen sich drei Spielarten identifizieren.

Diese Form der politischen Therapie findet, wie weiter oben schon dargestellt, in aller Regel als politische Häresie statt, d.h. als sozialer Paradigmenwechsel im Sinne der radikalen Abkehr von der herrschenden Sichtweise und den geltenden normativen Bewertungs- und Klassifizierungspraxen. Die Ablehnung der Orthodoxie und die Aufrichtung klarer Grenzen zwischen uns (›dem Volk‹) und ihnen (›den Eliten‹) weist die Behauptung der herrschenden Klassen zurück, der eigene Platz entspreche einer Platzierung in einem fairen Wettbewerb.

Die Therapie kann auch als Praxis symbolischer Re-Souveränisierung verabreicht werden und auf die Wiederherstellung klassischer Hegemonieverhältnisse, etwa zwischen den Geschlechtern, zwischen den Generationen oder zwischen gesellschaftlichen Mehrheiten und Minderheiten, abzielen. Diese Forderung findet sich zumeist eingebettet in umfassendere gesellschaftliche »Retrotopien« (Bauman 2017), deren Visionen sich, im Gegensatz zu Utopien, nicht mehr aus einer noch ausstehenden Zukunft, sondern aus der verloren geglaubten Vergangenheit speisen. Da man aufgrund einer ungewissen und offensichtlich nicht sehr rosigen Zukunft nicht mehr an den Fortschritt glaubt, investiert man alle Hoffnungen auf gesellschaftliche Verbesserungen in ein Gestern, an dem man – aus der Retrospektive heraus – dessen Stabilität und Vertrauenswürdigkeit schätzenswert fand (siehe Kapitel 1).

Und schließlich kann die symbolische Rehabilitierung durch die Abwehr aufholender Außenseiter-Gruppen wirksam werden. Arlie Hochschild hat diese Situation in ihrer ethnografischen Feldstudie »Fremd in ihrem Land« (2017) als enttäuschte Aufstiegserwartung der Menschen in den ländlichen Regionen im Süden der USA geschildert:



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