Menschenskinder by Evelyn Sanders

Menschenskinder by Evelyn Sanders

Autor:Evelyn Sanders [Sanders, Evelyn]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi, azw3
veröffentlicht: 2012-03-01T11:35:48+00:00


Kapitel 10

D

ie Kleintierzüchter und der Schützenverein sind ausgebucht, Feuerwehr und Odenwaldclub feiern selber, bei den Hundesportlern sind die Räume zu klein, und die Gaststätte vom Tennisclub will ausgerechnet dann renovieren,

wenn wir sie haben wollen«, zählte Nicki auf, während sie

sich frustriert ein Schokoladenei nach dem anderen in den

Mund schob, »bleibt also bloß noch das Sportheim oben am

Wald.« Plötzlich stutzte sie. »Wo hast du denn jetzt noch Ostereier her? In drei Monaten liegen doch schon wieder die

ersten Marzipankartoffeln im Supermarkt.«

»Richtig! Und was du gerade isst, sind vermutlich die

Überbleibsel vom vergangenen Jahr. Ich hab sie gestern beim

Aufräumen im Keller gefunden.«

Erschrocken legte sie das schon halb ausgewickelte Ei wieder zurück. »Bist du sicher, dass sie nur aus der vorletzten

Saison stammen? Ich kann mich nämlich noch gut an die

Weihnachtskekse erinnern, die ...«

»Meine Güte kriege ich die bis an mein Lebensende aufs

Butterbrot geschmiert?«

Lang, lang ist's her, doch diese Geschichte ist in die Annalen der Familie Sanders eingegangen und wird vermutlich

noch meinen Ur-Urenkeln erzählt werden, wenn die schon

längst ihr Weihnachtsgebäck im Internet bestellen und per

Rohrpost direkt in die Küche geliefert bekommen.

Als unsere Kinder noch in jenem Alter waren, da sie einmal

täglich den Kühlschrank leer fraßen und sich trotzdem permanent auf Nahrungssuche befanden, herrschte während der

Vorweihnachtszeit zwischen ihnen und mir Kriegszustand,

und zwar wegen der Kekse. Als pflichtbewusste Mutter

stürzte ich mich natürlich auch in die Adventsbäckerei, buk

weisungsgemäß von Haferflockenplätzchen bis zu Elisentalern alles, was ich schon im vergangenen Jahr und im Jahr

davor gebacken hatte (in mancher Hinsicht ist das Traditionsbewusstsein unserer sonst so modern orientierten

Nachkommen sehr ausgeprägt!), doch erst danach begann jedes Mal der schwierigste Teil der ganzen Sache: Wohin mit

den Plätzchen?

Ausgekühlt, bepinselt oder bunt bestreut, ruhten die fertigen

Produkte des jeweiligen Tages in Blechbüchsen auf dem

Küchentisch, während ich auf die Suche nach einem Versteck

ging, das ich bisher noch nicht benutzt hatte. Zwei Kellerräume, vollgestellt mit dem üblichen Gerümpel einer

Großfamilie und folglich nur durch mühsam freigehaltene

Gänge zu durchqueren, sollten eigentlich genug

Möglichkeiten bieten - doch dem war nicht so. Befragt, was z.

B. Sascha ausgerechnet jetzt im Keller suche, wo er sich doch

ein halbes Jahr lang geweigert habe, auch nur mal zwei

Flaschen Sprudel heraufzuholen, kam als Antwort zurück:

»Ich hab dem Hemmi sein Bruder mein altes Skateboard

versprochen, das muss doch irgendwo hier unten liegen!« ›Dem Hemmi sein Bruder‹ ist seinerzeit dreieinhalb Jahre

alt gewesen und hatte gerade den gefahrlosen Umgang mit

seinem Roller gelernt.

Steffi wiederum vermisste plötzlich ihre dunkelblaue Pudelmütze, die sie bereits vor zwei Jahren ausrangiert und der

Altkleidersammlung zugeführt, diesen Vorgang jedoch ganz

offensichtlich verdrängt hatte. Die Zwillinge, normalerweise

›wegen den vielen Tieren‹ nicht gewillt, weiter als bis zur

fünften Treppenstufe zu gehen, suchten mit. (Um dem verständlichen Verdacht vorzubeugen, wir würden in familiärer Eintracht mit Mäusen, Ratten, Würmern und ähnlichen Lebewesen wohnen, sei versichert, dass mit den ›vielen Tieren‹ lediglich Spinnen gemeint waren, die nun real vor keinem Keller Halt machen und gelegentlich sogar in Schlafzimmern auftauchen.)

Ziel dieser plötzlichen Exkursionen in den Keller waren natürlich die Plätzchen, die ich sonst immer unten im Vorratsschrank aufbewahrt hatte. Aber dann war das Jahr gekommen, in dem die Keksdosen immer leichter und ihr Inhalt immer weniger wurden und ich



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