Ein Wassermann funkt SOS by Pestum Jo

Ein Wassermann funkt SOS by Pestum Jo

Autor:Pestum, Jo [Pestum, Jo]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Ein Motorrad mit Flügeln

Mit dem Morgennebel waren graue Wolkenbänke gekommen, ließen große Schatten über das Land wandern, gestatteten den Sonnenstrahlen nur kurze Augenblicke.

Darum mußte ich ein paar Minuten warten, bis das Licht günstig für die Fotos war. Ich hatte ein Stativ mitgebracht und belichtete lange, weil ich Bilder mit viel Schärfe und plastischer Wirkung brauchte. Daß die Spuren von einem schweren Motorrad stammten, stand außer Frage. Es waren überdeutliche Spuren, die ein eigenartiges Reifenprofil zeigten.

Ursprünglich hatte ich zuerst mit den Tauchern im Karpfenhof ein paar rauhe Takte reden wollen, aber dann schien es mir doch sinnvoller, zuerst nach den Spuren des Motorrads zu suchen, das in der Nacht gelärmt hatte und mit dem der unbekannte Taucher geflüchtet war. Wer garantierte schon, daß nicht irgendein Waldarbeiterfahrzeug die Abdrücke unkenntlich machte! Und vielleicht würde dies gar nicht zufällig geschehen.

Martin, dieser schlitzohrige Halunke, hatte wie ein ausgekochter Profi gepokert, als wir in der Nacht nach Hause gefahren waren. Seine Taktik: Verrätst du nicht, daß ich heimlich aus dem Fenster gestiegen bin und mich im Fond des Porsche versteckt habe, dann verrate ich nichts von deinem Salto mortale in den Waldsee. Er hatte wörtlich gesagt: „Wir dürfen Do doch nicht mit solchen Aufregungen kommen. Die macht sich schon genug Sorgen. Außerdem bist du doch bestimmt nicht daran interessiert, daß die ganze Weltgeschichte erfährt, wie du badengegangen bist. Oder seh ich das falsch?“

Dieser scheinheilige Schurke! Ich glaube, das war ganz schlicht eine Erpressung. Ich hatte dann, als wir in den Rabenhof einfuhren, alle Händevoll damit zu tun, die freudig-verrückte Resi abzulenken, damit sie nicht auf Martin aufmerksam wurde, der nun seinen Fluchtweg rückwärts ging und wieder in sein Zimmer kletterte. Er hatte Stein und Bein geschworen, daß er am anderen Morgen ganz bestimmt keine Klassenarbeit zu schreiben hätte. Do war natürlich wach geblieben, aber es gelang mir, mit meinen nassen Klamotten schnell im Badezimmer zu verschwinden.

Zwar wunderte Do sich, daß ich an diesem Morgen unbedingt die Kinder zur Bushaltestelle fahren wollte, obwohl sie doch an der Reihe war, und sie wunderte sich auch, daß ich den Fotokrempel einpackte, aber sie sagte nichts. Und dafür, daß Do mich nicht dauernd ausfragt, bin ich ihr verdammt dankbar.

Ich orientierte mich mit Hilfe des Meßtischblatts und näherte mich von Osten her dem Waldsee, ohne daß man mich vom Karpfenhof aus entdecken konnte. Nachdem ich Jonathan in einer Schneise abgestellt hatte, stiefelte ich zum See und beobachtete die Szenerie durch dichtes Himbeergestrüpp. Kein Boot, kein Taucher, kein Spaziergänger. Gut so.

In der Nacht hatte ich mir die Richtung des Lärms gut gemerkt, und schon nach knapp zwanzig Minuten fand ich die Spur. Zuerst war sie zu einem ausgefransten Strich verwischt: der Fahrer hatte zu heftig Gas gegeben. Doch nach ungefähr vierzig Metern entdeckte ich die ersten astreinen Abdrücke im weichen Waldboden. Ich mußte ein paar Minuten warten, bis das Licht günstig war, und dann belichtete ich lange.

Später fand ich auch die Kiefer, gegen die die Maschine in der Nacht gelehnt worden war: Abschürfungen in der groben Borke, Ölspuren auf dem Boden, der mit trockenen Nadeln bedeckt war.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.