Der neue Pitaval : Teil 9 by Willibald Alexis & Julius Eduard Hitzig

Der neue Pitaval : Teil 9 by Willibald Alexis & Julius Eduard Hitzig

Autor:Willibald Alexis & Julius Eduard Hitzig [Alexis, Willibald & Hitzig, Julius Eduard]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sammlung, Reportage
Herausgeber: Brockhaus
veröffentlicht: 1844-12-31T23:00:00+00:00


* * *

Es hält schwer, eine Aehnlichkeit zwischen dem Verbrechen des ältern Markmann und dem des jüngern festzustellen, obgleich das Gesetz Beide unter eine Kategorie bringt. Unbedenklich erscheint jene frühere That schauerlicher, roher, das Gefühl verletzender. Die raubmörderische Absicht ist voraus zum vollen Bewußtsein gekommen, der Raub- und Mordplan völlig entworfen, es geht eine Verabredung, ein Pact, eine Verschwörung mit einem andern ruchlosen Menschen voraus. Das heilige Gastrecht, welches doch gerade auf rohe Gemüther einen so wunderbaren Einfluß hat, ist auf die abscheulichste Weise verletzt, die zuvorkommende Güte der armen Bau’schen Familienmitglieder wird durch den grausamsten Undank belohnt. Wie ein Cannibale erscheint Christian Markmann, der mit derselben Axt fünf unschuldige, schlafende Menschen, seine Wohlthäter, nacheinander kaltblütig abgeschlachtet, ohne nur einen Augenblick vor oder nach der That einer menschlichen Regung Raum gegeben zu haben. Und er war um drei Jahre älter als sein Bruder, er hatte einen wissenschaftlichen Unterricht empfangen, er war Student gewesen! Und wie er mit kaltem, ruchlosem Vorbedacht an die That ging, so blieb das Ungeheuer nachher reuelos und vegetirte in seinem siebenjährigen Gefängniß mit keinen andern Gedanken und Empfindungen fort, als der thierischen Liebe zum Leben, für die er frech log, heuchelte oder eiserne Stäbe durchbrach. Die Kerkerqual scheint ihm nicht für einen Augenblick den Gedanken der Sehnsucht nach der Erlösung durch einen büßenden Tod eingegeben zu haben.

Alles verhält sich anders beim jüngeren Bruder; keine lasterhafte Gewöhnung, die ihn taub machte gegen die Stimme des Gewissens, ist vorangegangen. Es ist eine dämonische Aufwallung, die ihn überkommt, die er noch zu bewältigen sucht, die aber ihn bewältigt… Nicht im Schlaf erschlägt er das erste Opfer; es steht wachend, kämpfend ihm gegenüber. Möglich, ob es gleich nirgend ausgesprochen, daß er an eine Art Gottesurtheil gedacht, als er das Scherzgefecht anfing. Wenn der Lange gesiegt hätte, würde er ihn nicht erschlagen haben. Er übergab sich dem Fatum, wie viele Verbrecher; nicht daß das seine Straffälligkeit minderte, aber es zeichnet ihn doch als einen Verbrecher, der auf einer sittlich höheren Stufe als jener Student steht, welcher den Schlaf seiner Opfer abwartet, um des Beistandes seines Verführers und Helfershelfers gewiß, ihnen heimtückisch die Hirnschale einzuschlagen. So steht er auch nach der That ganz anders. Er übertäubt sein Gewissen durch den Trunk; zu den Leichen geführt, heuchelt er nicht Theilnahme, und von dem Augenblick an, wo seine innere Rührung ihn zum Bekennen treibt, ist es ein volles, aufrichtiges Bekenntniß, ohne Widerruf, ohne Schönthuerei. Die in ihm nagende Schuld macht sich nicht breit in Phrasen wie Elicabide; sie spricht sich in solchen stummen Zeichen aus, welche die tiefste, innere Zerknirschung bekunden. Ein Naturmensch, der einmal vom Dämon sich hinreißen ließ und nun, ganz durchdrungen von der Ueberzeugung, daß die That sich nimmer wieder gut machen lasse, in männlicher Entschlossenheit ihren Folgen entgegensieht, sich selbst treu bleibend ohne Abweichung, ohne nur einen Versuch zu machen, das unabwendbare Schicksal zu beugen.

Die Aehnlichkeit beider scheint nur darin, daß sie in der Mordwuth sich nicht mit einem Opfer begnügten, sondern in einem Athem mehre niederschlugen, daß sie nicht



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.