Sieben Jahre in Tibet: Mein Leben am Hofe des Dalai Lama (German Edition) by Heinrich Harrer

Sieben Jahre in Tibet: Mein Leben am Hofe des Dalai Lama (German Edition) by Heinrich Harrer

Autor:Heinrich Harrer [Harrer, Heinrich]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783843708067
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2014-12-20T05:00:00+00:00


Der Orden der Tsedrungs

Deshalb war ich nicht wenig erfreut, als auch ich eines Tages in den Garten der Tsedrungs bestellt wurde.

Die Tsedrungs sind Mönchsbeamte, die eine Art Orden bilden. Durch ihre strenge Erziehung zum Gemeinschaftsgeist sind sie den weltlichen Beamten an Macht weit überlegen. Sie bilden die nächste Umgebung des Dalai Lama. Alle persönlichen Diener des jungen Gottes kommen aus diesem Orden, der Kämmerer, seine Lehrer und seine persönlichen Betreuer sind hohe Tsedrungs. Der Dalai Lama nimmt außerdem an ihren obligatorischen täglichen Zusammenkünften teil, die der Pflege des Gemeinschaftsgeistes dienen.

Die Mönchsbeamten des Tsedrung-Ordens haben ohne Ausnahme eine strenge Ausbildung hinter sich. Ihre Schule liegt im Osttrakt des Potala, und die Lehrer kommen traditionsgemäß aus dem berühmten Kloster Möndroling südlich des Tsangpo, das für die Pflege des tibetischen Schrifttums und der Grammatik bekannt ist. Jeder junge Mann des Landes kann in die Schule der Tsedrungs eintreten, aber die Aufnahme in den Orden selbst ist sehr schwierig. Es existiert nämlich eine viele hundert Jahre alte Vorschrift, die die Zahl seiner Mitglieder begrenzt, es darf immer nur 175 Tsedrungs geben. Diese Zahl galt früher auch für die weltlichen Beamten, so daß es im ganzen immer 350 Beamte in Tibet gab. Durch die Einführung einiger neuer Ämter wurde in letzter Zeit diese Zahl ein wenig vergrößert.

Wenn der junge Mönchsschüler das achtzehnte Jahr erreicht hat, kann er nach Ablegung bestimmter Prüfungen – und natürlich mit etwas Protektion – Tsedrung werden. Damit erhält er gleichzeitig den niedrigsten Rang und kann, je nach seinen Fähigkeiten, bis zum dritten Rang aufsteigen. Die Tsedrungs tragen die übliche rote Mönchskutte, darüber aber die Abzeichen ihres Ranges, der dritte zum Beispiel ein gelbes Seidengewand. Die jungen Tsedrung-Schüler kommen meist aus dem Volk und bilden ein gesundes Gegengewicht gegen den vererbten weltlichen Adel. Ein großes Arbeitsfeld wartet auf sie, denn es gibt keine Regierungsstelle, wo neben dem weltlichen Beamten nicht mindestens ein Mönchsbeamter sitzt. Durch dieses gemeinsame Ausüben eines Amtes soll eine despotische Diktatur des einzelnen verhindert werden, eine Gefahr, die ja beim Feudalsystem immer gegeben ist.

Der Oberste Kämmerer des jungen Gottes mit dem klangvollen Titel Drönyer Tschemo war es, der mich zu sich gebeten hatte. Er schlug mir vor, den Garten der Tsedrungs herzurichten. Das war eine große Chance für mich! Er ließ nämlich durchblicken, daß auch im Garten des Dalai Lama neue Anlagen notwendig seien und wenn man mit meiner Arbeit zufrieden sei … Ich sagte sofort zu. Eine Anzahl von Arbeitern wurde mir zur Verfügung geteilt, und ich machte mich mit allem Eifer ans Werk. Es blieb mir kaum noch Zeit für die Privatstunden in Englisch und Mathematik, die ich einigen jungen Adeligen erteilte.

Was konnte uns jetzt noch treffen? Unsere Aufträge gingen von den höchsten Stellen der Mönchsbeamten aus, sollte das nicht ein Zeichen sein, daß man sich mit unserer Anwesenheit abgefunden hatte und uns stillschweigend duldete?

Aber noch einmal kam ein schwerer Schock. Eines Morgens besuchte uns ein hoher Beamter des Außenamtes, Kyibub, der letzte der vier Tibeter, die vor vielen Jahren in Rugby studiert hatten. Sein Auftrag war ihm sichtlich peinlich.



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