Der neue Pitaval : Teil 7 by Willibald Alexis & Julius Eduard Hitzig

Der neue Pitaval : Teil 7 by Willibald Alexis & Julius Eduard Hitzig

Autor:Willibald Alexis & Julius Eduard Hitzig [Alexis, Willibald & Hitzig, Julius Eduard]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sammlung, Reportage
Herausgeber: Brockhaus
veröffentlicht: 1844-12-31T23:00:00+00:00


* * *

Wir haben noch einer Episode dieses Processes zu erwähnen, die beachtenswerthe Winke für den Psychologen liefert, auch eine ernste Warnung für den Criminalrichter. Außer Rauschmeier war der andere Stubenbursche Joseph Steiner und die Geliebte des Erstern als verdächtig mit zur Untersuchung gezogen. Die Schuld der Letzteren bestand, wie sich bald ergab, nur darin, daß sie behülflich gewesen, die gestohlenen Gegenstände zu verkaufen. Sie kam mit einer geringfügigen Strafe davon. Anders und schwieriger stellte sich das Verhältniß Steiners zur Hauptsache.

Dieser Mensch machte dem Untersuchungsrichter viel Kopfbrechen. An Stumpfheit des Sinnes, an Mangel jeder Erziehung und Bildung stand er noch tief unter Rauschmeier. Bei seiner ersten Vernehmung nach dem Verschwinden der Holzmann mußte seine Vereidung unterbleiben, weil er (34 Jahre alt!) durchaus unvermögend war, den Begriff und die Bedeutung eines Eides zu fassen; ja der Richter machte über ihn die Bemerkung, daß er auf der niedrigsten Stufe der Cultur zu stehen und kaum eines Begriffs fähig scheine. Er sei ganz stumpfsinnig und die Antworten hätten nur mit Mühe aus ihm herausgebracht werden können.

Auch als er im folgenden Jahre, nach der Auffindung des corpus delicti, mit Rauschmeier zugleich verhaftet wurde, bemerkte der Richter zu Protokoll, sein ganzes Benehmen zeige von außerordentlicher Verstandesschwäche und man müsse bis auf die ersten Anfangsgründe des Wissens herabsteigen, um sich ihm verständlich zu machen.

Anfänglich hatte er alle und jede Theilnahme und Wissenschaft an dem Verbrechen abgeleugnet, aber plötzlich trat er unaufgefodert, – er sollte nur über seinen eigenen Status der Form wegen vernommen werden, – mit einer langen und breiten Erzählung hervor, in der er gewissermaßen zu einem Belastungszeugen gegen Rauschmeier sich machte.

Danach war er an dem verhängnißvollen Charfreitage Abends zwischen 10 und 11 Uhr nach Hause gekommen, und hatte seiner Hausfrau wie gewöhnlich eine Gute Nacht wünschen wollen. Aber er fand sie nicht im Bette, glaubte, sie sei nicht nach Hause gekommen und legte sich daher ruhig in seines. In der Nacht hörte er nun über sich, auf dem obern Boden, einen starken Fall oder Schlag, auch kam es ihm vor, als ob man etwas hin und her ziehe. Am folgenden Tage, am Sonnabend, kam er eben so spät nach Hause. Sein Camerad öffnete ihm. Er wollte wieder zur Hausfrau gehen, aber der Camerad ließ ihn nicht hinein, sondern schaffte ihn mit dem Lichte sogleich in die Schlafkammer. Kaum lag er hier im Bette, so tropfte ihm etwas von oben auf die Nase. Er drehte sich um und legte sich auf das Gesicht. Da tropfte es ihm auf den Rücken Morgens, als es Tag wurde, sah er nach, und es waren Blutstropfen. Er fragte seinen Cameraden Rauschmeier, wo das wol herkäme? Der aber sagte, er wisse nichts, es bedeute auch nichts. Anfangs gab er sich zufrieden und dachte nicht weiter darüber nach. Als ihm aber auf dem Kirchhof die zusammengelegten Glieder seiner Hausfrau gezeigt wurden, da kam ihm der Gedanke, der Rauschmeier werde sie wol umgebracht haben.

Der Richter bemerkte bei dieser Aussage im Protokoll, Steiner habe diese Aussage ziemlich faßlich und zusammenhängend vorgetragen, und dabei gezeigt, daß er mehr Verstand besitze, als es den Anschein habe.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.