Boat People by Hans Christoph Buch

Boat People by Hans Christoph Buch

Autor:Hans Christoph Buch [Buch, Hans Christoph]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Verlagsanstalt
veröffentlicht: 2014-02-24T00:00:00+00:00


3

Eine Steigerung scheint kaum mehr möglich – auch ohne expliziten Bezug auf seine Vorläufer hat Traven alle Variationen des Themas durchdekliniert. Die Karten liegen auf dem Tisch, das Blatt ist ausgereizt, so dass den Nachgeborenen, um Travens Text zu überbieten, nur eine Option offensteht: Das Understatement, ein Minimalismus, der, statt noch einmal alle Register zu ziehen, auf überflüssiges Beiwerk verzichtet und das Totenschiff -Motiv auf seinen nackten Kern reduziert. Genau das tut Jens Rehn, dessen 1954 erschienener Roman Nichts in Sicht so unterschiedliche Autoren wie Gottfried Benn und den jungen Martin Walser begeisterte, später aber, trotz eines Reanimationsversuchs durch Marcel Reich-Ranicki, dem Vergessen anheimfiel.

Jens Rehn, der mit richtigem Namen Luther hieß, war U-Boot-Offizier im Zweiten Weltkrieg, danach in amerikanischer Kriegsgefangenschaft und Literaturredakteur beim Rias Berlin – ein Stiller im Lande, der außer Nichts in Sicht kaum Nennenswertes veröffentlicht hat. Sein Buch verzichtet auf die Gattungsbezeichnung Roman und erzählt die Geschichte zweier Schiffbrüchiger, die auf einem Schlauchboot im Atlantik treiben als einzige Überlebende eines Seegefechts, in dessen Verlauf ein US-Bomber ein deutsches U-Boot versenkt, bevor er selbst ins Meer stürzt. Nach den voll orchestrierten Werken von B. Traven und Reinhard Goering wirkt der Text wie ein Kammerspiel mit Anklängen an Samuel Becketts 1953 uraufgeführtes Warten auf Godot, wie die deutsche Variante eines existentialistischen Romans, der anders als bei Sartre oder Camus nicht an Land spielt, sondern auf dem Meer:

Die Dünung war vollständig eingeschlafen. Die Sonne brannte auf die reglose See. Über dem Horizont lag leichter Dunst. Das Schlauchboot trieb nur unmerklich. Der Einarmige beobachtete unablässig die Kimm. Der Andere schlief. Es war nichts in Sicht.

So beginnt das Buch, und schon der kurze Ausschnitt zeigt, dass und wie Jens Rehn auf gesuchte Effekte verzichtet und in knappen Sätzen, eher wortkarg als wortreich, eine Geschichte erzählt, deren Protagonisten namenlos bleiben: Kahlschlagliteratur heißt der aus der Nachkriegszeit stammende Fachausdruck dafür. Die einzige Konzession an den Leser, die einzige Abwechslung, wenn man so will, in dem durch keinen Hoffnungsschimmer aufgehellten Text sind eingestreute Informationen, die wie Zitate aus dem Konversationslexikon oder einem Handbuch für Schiffbrüchige klingen:

Ein Schlauchboot ist etwa 2,5 Meter lang und 1,5 Meter breit. Der Mittelatlantik ist im Verhältnis hierzu so groß, dass seine genauen Maße keine Rolle spielen. Wenn ein Schlauchboot allein im Mittelatlantik treibt, ist es gleichgültig, ob es im Frieden oder im Kriege dort driftet. (…) Die Sonne ist uninteressiert daran, ob der Einarmige ein Amerikaner, der Andere ein Deutscher ist, und ob beide im Jahre 1943 auf einem Schlauchboot hocken. Der Mittelatlantik bleibt groß und das Schlauchboot bleibt klein.

Die Jahreszahl 1943 wirkt fast wie ein Stilbruch im Kontext des Buches; Rückblenden in die Vorkriegszeit sind selten, auch das Kriegsgeschehen wird weitgehend ausgespart, so dass der Roman weder das Bedürfnis nach 'Spannung' noch den Voyeurismus der Leser befriedigt, wie es Lothar Buchheims Bestseller Das Boot und dem darauf basierenden Film gelang. Wenn ich es richtig sehe, enthält der Text nur eine direkte Anspielung auf das NS-Regime:

'O Tannenbaum', sang er, 'wie braun sind deine Blätter.' 'Das kommt von der Partei', sagte er, 'die braunen Blätter'.



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