Bestien in der Finsternis by Wolf Stefan

Bestien in der Finsternis by Wolf Stefan

Autor:Wolf, Stefan [Wolf, Stefan]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


13. Gürtel mit Löwenkopf

Hier war es sonnig und hell.

Schottloff hatte den Kaffeetisch für fünf Personen gedeckt — üppig, aber mit der Unbeholfenheit des etwas schlampigen Junggesellen.

Gaby stellte fest, daß zwei Tassen nicht zum sonstigen Geschirr paßten.

Die eine, die Klößchen erhielt, trug die Aufschrift: Palast-Hotel Wien.

Die andere war eine goldblaue Sammeltasse und stand vor Tim.

Es gab chinesischen Tee, grünen — weil der, wie Schottloff betonte, erstens sehr gesund sei und zweitens auch die ,müdeste Fliege’ munter mache. So drückte er sich aus.

In der Mitte des Tisches prangte eine gewaltige Schokoladentorte.

„Selbst gekauft“, sagte Schottloff. „Bei Leihschiefer. Ich glaube, dort gibt’s die besten Torten. Auch ich nasche gern.“

„Eigentlich sehen Sie mehr aus wie jemand, der rohe Steaks verputzt und Klapperschlangen mit der Hand fängt“, meinte Tim.

Schottloff lachte. „Ganz so wild bin ich nicht. Bedient euch.“

Das brauchte er bei Klößchen nicht zweimal zu sagen. Das dicke TKKG-Mitglied lud sich gleich zwei Stücke auf den Teller.

Nachdem er gekostet hatte, meinte er: „Prima Torte. Aber wie paßt das zusammen: Süßigkeiten und Klapperschlange? Das verstehe ich in meinem Kopf nicht. Wie kann man sich so ein Reptil halten? Gaby hat einen treuen Hund. Ich kaufe mir später einen Papagei. Karl kriegt demnächst eine Katze, und Tim mag alle Tiere. Aber eine Schlange würdest du dir wahrscheinlich nicht zulegen“, wandte er sich an seinen Freund.

„Wahrscheinlich nicht“, sagte Tim.

Schottloff setzte seine Tasse ab. „Die Geschmäcker sind nun mal verschieden. Meine Schlange ist pflegeleicht. Außerdem gibt’s keinen besseren Wächter des Hauses.“

„Das wollte ich Sie fragen“, schnappte Tim zu. „Sie sprechen bei Keita von einem Wächter.“

„Richtig. Denn jedesmal bevor ich verreise, öffne ich das Terrarium. Keita kommt heraus. Sie hat Zutritt zu fast allen Räumen. Und wehe dem Einbrecher, der meinem Haus einen Besuch macht.“

Tim glaubte, er höre nicht recht. „Das ist nicht Ihr Ernst.“

„Aber ja.“

„Das geht doch nicht!“ rief Gaby. „Das wäre doch der sichere Tod für irgendeinen kleinen Dieb, einen Einbrecher. Vielleicht einen Jugendlichen.“

„Ich sehe das so: Niemand, den ich nicht auffordere, einzutreten, hat in meinen vier Wänden was zu suchen.“

„Ein ziemlich harter Standpunkt“, sagte Tim. „Ich glaube nicht, daß Sie damit im Recht sind.“

„Rechtlich kann man mir gar nichts. Schließlich kommt es auch vor, daß Einbrecher erschossen werden. Und was kann ich dafür, daß Keita sich aus ihrem Terrarium befreit.“

„Dem kann ich nicht folgen“, sagte Tim. „Denn wenn Schüsse fallen, ist doch der Bewohner im Haus — und fühlt sich bedroht. Doch selbst dann darf er nicht ohne weiteres losballern. Er muß sich wirklich in Lebensgefahr befinden. Trotzdem muß er vermeiden, den Eindringling zu töten. Ihn kampfunfähig zu machen — das ist erlaubt. Also einen Schuß ins Bein! Nicht in den Kopf oder ins Herz. Aber wenn Sie auf Reisen gehen, Herr Schottloff, ist Ihr Haus leer. Sie leben doch allein?“

„Ich lebe allein.“

„Das bedeutet, niemandens Leben wäre von einem Einbrecher bedroht. Keita würde nur Sachwerte verteidigen. Also stimmt die Verhältnismäßigkeit der Mittel überhaupt nicht mehr. Hier der Wertgegenstand aus Ihrem Haus — dort der tödliche Giftbiß. So geht’s nicht.“

Schottloff spürte, wie betroffen seine jungen Gäste waren. Er machte ein nachdenkliches Gesicht.



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