Zwei fremde Leben by Goldammer Frank

Zwei fremde Leben by Goldammer Frank

Autor:Goldammer, Frank [Goldammer, Frank]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2020-07-24T00:00:00+00:00


21

Leipzig, Februar 1994

Es war ein Gespräch, wie sie es sich seit zwanzig Jahren gewünscht hatte. Da gab es jemanden, der ihr einfach zuhörte, der sich Notizen machte, der fragte, hinterfragte, ohne zugleich alles in Zweifel zu stellen. Und sie brauchte niemanden, der ihr sagte, wie es nicht gewesen sein konnte, sondern der herausfand, was wirklich geschehen war. Das hatte noch keiner wirklich versucht, selbst Eric nicht. Einen Privatdetektiv einzustellen, hätte sie sich niemals leisten können. Darüber nachgedacht hatte sie schon seit der Wende. Doch was sie jetzt hatte, war viel besser.

Markus Burgkhardt hieß der Mann aus Hamburg, war seit dreißig Jahren Journalist, arbeitete für Zeitungen und Fernsehen und war schon vor der Wende als Reporter in der DDR gewesen, um über die Zustände hier zu berichten. Er war fast so groß wie ihr Vater, mit einem Gesicht, in das sich tief die Falten eingegraben hatten, wie bei einem Seemann. Eigentlich war er ihr nicht sympathisch, aber warum sollte ein Journalist unbedingt sympathisch sein.

Das Treffen mit ihm in einer dunklen Kneipe in Leipzig hatte einen geheimen Charakter. Vor ihm auf dem Tisch lagen ein Diktiergerät, ein modernes Funktelefon und ein Notizblock. Ricardas Kaffeetasse war längst leer. Der Journalist hatte sich einen Cappuccino bestellt, doch nur zur Hälfte getrunken. Vorher hatte er sich erst seinen und noch ihren Zucker hineingerührt.

»Von Ihrem Vater habe ich schon gehört«, sagte er.

»Wirklich?«, fragte Ricarda verblüfft.

Er ließ sich Zeit, zu antworten, das schien seine Masche zu sein.

»Er hat Kontakte zu Politikern in der BRD gepflegt, natürlich mit Wohlwollen der DDR -Regierung, sonst wäre er sofort weg vom Fenster gewesen. Und ein paar von denen gehören zur Pharmalobby. Durchaus möglich, dass er irgendein Produkt aus der DDR -Forschung verkauft hat. An Bayer oder Hoechst. Natürlich für die DDR . Es ging der DDR -Regierung hauptsächlich um Devisenbeschaffung. Er hatte auch Kontakt zu einer Firma namens Intrac. Die gehörte zum Außenhandelsministerium. Die waren in alle möglichen Geschäfte verwickelt. Auch in den Menschenhandel mit politischen Gefangenen.«

Ricarda schauderte. Der Mann kannte sich offenbar aus.

»Dass das nun rauskommt, kann keinem recht sein«, fuhr er fort. »Vor allem nicht einer bestimmten Gruppe um einen ganz bestimmten CSU -Mann.«

Meine Worte, dachte Ricarda und klemmte sich vor Aufregung die Hände zwischen die Oberschenkel, als sei ihr kalt. Doch sie brauchte Druck, sonst würde sie zerspringen.

»Die Bundesrepublik verfügt natürlich nicht über so einen Apparat wie die Stasi, um jemanden kaltzustellen. Doch es ist eine beliebte Methode, jemanden als geistig unzurechnungsfähig zu erklären oder ihm das Leben anderweitig schwerzumachen. Nur wenn einer gar nicht mehr mitspielen will, wird er beseitigt. Barschel ist ein gutes Beispiel.«

Ricarda hörte dem Mann gebannt zu. »Können beziehungsweise wollen Sie mir denn helfen?«

Wieder ließ er sich Zeit mit der Antwort. »Helfen ist vielleicht zu viel gesagt«, meinte er schließlich. »Ich kann meine Fühler ausstrecken. Dazu brauche ich aber alle Informationen. Und wir müssen ein paar Fotos machen. Von Ihnen.«

»Wirklich? Heute?«, fragte Ricarda, in einem leisen Anflug von Panik. Darauf war sie nicht vorbereitet.

»Ja, nichts Besonderes, nur damit ich weiß, womit ich arbeiten kann. Da machen wir später noch mal richtige.



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