Zeit am Stiel by Pressler Mirjam

Zeit am Stiel by Pressler Mirjam

Autor:Pressler, Mirjam [Pressler, Mirjam]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


9.

Ich liege wach im Bett, kann nicht schlafen, obwohl mir vor Müdigkeit die Augen brennen. Diese verdammte Nacht geht einfach nicht vorbei. Ich hasse Nächte. Ich habe geschlafen, dann bin ich aufgewacht, verschwitzt, mit schwerem Kopf, Schreien in den Ohren. Erschrocken bin ich hochgefahren, alles hat sich um mich gedreht, ich habe nicht gewußt, wo ich bin, wer ich bin, was los ist. Am liebsten hätte ich um Hilfe gerufen, einfach losgebrüllt. Erst als ich auf meiner Uhr gesehen habe, daß es zehn nach zwei war, als ich beobachten konnte, wie der Sekundenzeiger langsam vorwärts geruckt ist, habe ich mich beruhigt. Aber ich habe nicht gewußt, was mich so in Panik versetzt hat, ob die Schreie echt oder geträumt waren. Danach habe ich nicht mehr einschlafen können, ich liege wach und denke nach. Eigentlich denke ich nur im Kreis herum, ich kann mich nicht auf ein Thema konzentrieren, wüßte auch nicht, auf welches.

Ich stehe auf. Wieder dreht sich das Zimmer, verschwimmt mir vor den Augen, Ich halte mich am Nachttisch fest und warte, bis das Schwindelgefühl vorbei ist. Viel zu schnell bin ich aufgestanden. Dabei weiß ich doch, daß mein Blutdruck so niedrig ist. Sehr viele Mädchen in deinem Alter haben das, hat Frau Doktor Hiller gesagt, da brauchst du dir nichts zu denken. Langsam aufstehen, nicht zu lang im heißen Badewasser rumsitzen, viel Bewegung, das ist das beste, was du machen kannst.

Zwei Tage habe ich im Bett gelegen und so getan, als wäre ich krank. Jetzt kann ich nicht mehr liegen, der Rücken tut mir weh, meine Schultern sind steif. Ich setze mich auf die Fensterbank. Nichts hat sich draußen geändert seit der Nacht vor Astas Tod. Der Mond, noch runder geworden, scheint auf die Mülltonnen im Hinterhof. Eine Katze schreit. Kulisse wie in einem alten Film, den ich mal gesehen habe. Welcher war das bloß? Fällt mir nicht ein. Ein italienischer? Na ja, ist auch egal. Unwirklich kommt mir alles vor. Ich mir auch. Als würde ich neben mir stehen und mir zugucken. Blödes Gefühl.

Ich würde gern mit jemand reden, einfach so, aber da ist niemand. Mama schläft. Und wenn sie nicht schlafen würde, wüßte ich auch nicht, was ich mit ihr reden könnte. Seit Asta tot ist, behandelt sie mich vorsichtig, wie eine Schwerkranke. Oder wie eine Verrückte. Nein, nicht seit Asta tot ist, seit dem Abend danach. Willst du einen neuen Hund? hat sie vorgestern abend gefragt. Soll ich dir einen neuen Hund kaufen? Ich habe das Limonadenglas, das ich gerade in der Hand hatte, an die Wand geschmissen. Sie hat nichts gesagt, hat nur angefangen, den Dreck wegzuputzen.

Ich muß mit jemand reden, sonst werde ich wirklich verrückt. Die eine Martina, die auf der Fensterbank sitzt, zieht ein Bein an, weil ihr die Arschbacke wehtut von der Holzkante, legt die Arme um das Knie und den Kopf darauf. Die andere, die, die nebendran steht, sagt: Stell dich nicht so an, das ist nur eine Nebenrolle, die du spielst. Mach’s nicht so dramatisch. Ich hätte Lust, Sandra anzurufen.



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