Coco Lavie - Nachtschattenherz by Uta Maier

Coco Lavie - Nachtschattenherz by Uta Maier

Autor:Uta Maier [Maier, Uta]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-12-24T00:00:00+00:00


Ich bin das Mädchen, das der Eine töten wird. Sie rennt um ihr Leben. Ich weiß es, denn ich sehe durch ihre Augen in die Finsternis, atme mit ihren Lungen und spüre ihr hämmerndes Herz gegen meine Rippen trommeln.

Qualvoll ringe ich nach Sauerstoff, während meine Schritte langsamer werden. Hinter mir lösen sich Steine von dem hohen Gewölbe. Ich schrecke zusammen und meine Augen füllen sich mit Tränen. Er wird mich überall finden, es gibt kein Entkommen. Die Gedanken des Mädchens verschwimmen mit meinen. Wasser tropft auf meine Haare und in meiner Hektik stoße ich mich an einer scharfen Steinkante.

Er liebt mich. »Amarah, ewige Schönheit« hat er mich genannt. Meine Hände tasten an den rauen Höhlenwänden entlang, als suchen sie verzweifelt nach Halt, wo es keinen mehr gibt.

»Ihr habt versprochen, dass ihr mich schützt«, schreie ich nach oben, in einen Himmel, der unter tonnenschwerem Gestein Lichtjahre entfernt scheint. »Ihr habt gesagt, dass ihr immer für mich da seid.«

Schluchzend renne ich weiter und weiß genau, wie ungehört mein Ruf verhallt. Hier, tief unter dem Meeresspiegel, wo die Engel mich nicht finden können. Kein Schutz ist grenzenlos. Das Mädchen verschwindet mit mir in der Dunkelheit, die sie verschlingt wie der Schlund eines Walfisches.

»Ich möchte das nicht! Stopp!« Dieses Mal bin ich es, die schreit, aber es sind nur meine Gedanken, die ich höre.

Ihre Schritte tragen mich immer weiter in den Bauch der Höhle. Immer tiefer hinein in das Verderben, in das er sie gelockt und verführt hat. Tränen strömen über ihre Wangen.

Warum bin ich sie?

Sie schreit auf und hält die Luft an, die in meinem Hals sticht und mich würgt. Der Eine! Seine Präsenz ist wie eine Ahnung von Tod auf der Haut, als würde er mir seinen eisigen Atem in den Nacken pusten, ein zärtliches und zugleich tödliches Versprechen. Es ist … so vertraut.

»Amarah, wieso läufst du von mir fort?« Seine Stimme ist sanft und gefährlich wie die Schönheit der Nacht. Die Luft ist plötzlich getränkt von seinem Duft, von Maulbeere und Kakao.

Nein! Das kann nicht sein!

Stockend drehe ich mich um, bin benommen von seinem Anblick, weil ich mich in seine Arme werfen möchte, um Trost zu finden, aber weiß, dass er hier ist, um mich zu töten. Mein Herz braucht viel länger als meine Augen, um zu begreifen, dass er es wirklich ist. Der Schock ist so allumfassend, so grenzenlos – ich vergesse für einen Moment, wo ich bin. Ich würge ein schwaches »Pontus« hervor, doch es geht in ihrem Schreckenslaut und ihren Gedanken unter.

Sie möchte flehen und betteln, ihm sagen, dass sie sich wünscht, ihn lieben zu können, doch sie bleibt stumm. Er kommt langsam näher, mit einer Ruhe, die einer Urgewalt gleichkommt und vielleicht machtvoller ist als die größte Streitkraft der Welt. Seine Hände umfassen ihr Gesicht, streichen die Tränen weg.

»Keine Angst, Imago Animea.«

Beim Klang seiner Stimme wird mir übel vor eiskalter Sehnsucht nach seiner Vertrautheit, die ich mit jeder Sekunde verliere. Er hat nicht wirklich Imago Animea gesagt, aber es fühlt sich so an. Er hat mit ihr geredet, die Sprache ist mir fremd, ich verstehe sie dennoch: »Ich liebe dich«.



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