So wie Kupfer und Gold by Jane Nickerson

So wie Kupfer und Gold by Jane Nickerson

Autor:Jane Nickerson [Nickerson, Jane]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Historical
ISBN: 9783641106683
Google: GR9BAAAAQBAJ
Herausgeber: Cbt
veröffentlicht: 2013-09-22T22:00:00+00:00


Kapitel 20

UNTERSCHIEDLICHE REGELN

»Miss Sophia!« Charles kam mit schnellen Schritten hinter mir her, als ich den Flur hinunterging. Er trug einen Korb bei sich. »Hier ist Ihr Mittagessen. Mr Alphonse hat Ihnen ein Picknick eingepackt. Ich hab gesagt, er soll auch Orangenblütenkuchen dazutun. Ich weiß doch, wie sehr Sie den mögen.«

Es war Montag und ich war fertig angezogen für meinen Waldspaziergang. Charles’ freundliche Geste rührte mich. Ohne nachzudenken, legte ich eine Hand auf seinen Arm. Ich wollte ihm für alles danken – nicht nur für den Korb, sondern für seine unerschütterliche Freundlichkeit sowohl mir als auch dem armen Buttercup gegenüber.

In diesem Moment kam M. Bernard um die Ecke. Sein Blick ging sofort zu meiner Hand auf Charles’ Arm. Seine Brauen hoben sich. Ich zog schnell meine Hand weg und sah dabei lächerlich schuldbewusst aus. Charles verbeugte sich und entfernte sich lautlos.

Erst nach einem kurzen Schweigen meinte M. Bernard leichthin: »Oho! Du gehst zu einem Picknick, ma loutre? Am Himmel braut sich etwas zusammen, aber das hält dich natürlich nicht auf. Deine Waldspaziergänge sind dir ja sehr wichtig.«

»Ja, Sir, am allerliebsten bin ich in der Natur.« Ich versuchte seine Miene zu lesen, doch es war unmöglich.

»Oui. Am allerliebsten«, erwiderte er mit einem merkwürdigen Lächeln.

Er war verstimmt. »Wollen Sie – wollen Sie mich vielleicht begleiten?«

»Heute nicht. Dringende Geschäfte rufen. Stattdessen sage ich au revoir, damit du dich auf den Weg machen kannst. Nimm auf jeden Fall etwas zum Überziehen mit.«

Damit ging er weiter den Flur hinunter. Ich schaute seiner kraftvollen Gestalt in dem maßgeschneiderten ockerbraunen Anzug nach, bis er um die Ecke bog. Er wollte nicht, dass ich ohne ihn irgendetwas genoss. Meine Waldspaziergänge würde ich deshalb aber ganz gewiss nicht aufgeben; sie waren meine einzige Möglichkeit, dem Haus zu entfliehen. Und es wäre schön, wenn ich Mr Stone noch einmal treffen könnte – auch wenn das höchst unwahrscheinlich war, wie ich mir rasch in Erinnerung rief.

Trotz des dunklen Himmels und M. Bernards Anweisung verließ ich das Haus, ohne einen Umhang mitzunehmen.

Odette nahm mit einem Stirnrunzeln ein Orangenblütenküchlein, doch inzwischen kannte ich ihr Mienenspiel gut genug, um davon ausgehen zu können, dass sie sich freute. Sie aß bereits, als ich in den Wald ging. Ich schwang meinen Korb und schaute mich um, ob auch niemand irgendwo lauerte. Ich lief schnell und kreuz und quer, um mögliche Verfolger zu verwirren.

Während das Laub vergangene Woche noch meist rot und orange geleuchtet hatte, schritt ich jetzt über einen natürlichen Teppich aus reinem Gold, als ginge ich über Himmelsstraßen. Ein plötzlicher Windstoß ließ einen goldenen Schauer wie einen Himmelsgruß auf mich herunterregnen.

Und da war er. Mr Stone. Er kauerte in einer Lichtung zwischen Farn und Steinen auf einem Felsbrocken und zeichnete ganz versunken. Ich zögerte. Obwohl wir uns einander vorgestellt hatten, gehörte es sich nicht, allein mit einem jungen Mann zu sprechen. Und was wäre, wenn er allein bleiben wollte? Aber ich konnte nicht anders – ich musste zu ihm hingehen. Also betrat ich die Lichtung. »Wie schön, Sie wiederzusehen, Mr Stone.«

Er schaute auf und wurde rot. Ungelenk erhob er sich und machte eine Verbeugung.



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