Wurde Amerika in der Antike entdeckt by Hans Giffhorn

Wurde Amerika in der Antike entdeckt by Hans Giffhorn

Autor:Hans Giffhorn
Die sprache: deu
Format: mobi, epub, azw3
ISBN: 9783406645211
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Eine denkbare Route nach Nordostbrasilien

Der berühmte römische Historiker Plinius Secundus (23–79 n. Chr.) berichtet von einer merkwürdigen Expedition kurze Zeit nach dem Fall Karthagos: Der römische Feldherr Scipio Aemilianus, der Bezwinger Karthagos, schickte nach seinem Sieg seinen militärischen Berater Polybius mit einer Flotte von sieben Schiffen nach Westen, durch die Straße von Gibraltar und an die westafrikanische Küste (siehe Karte S. 91).[9] Eine aufwändige Expedition in für Römer damals vermutlich völlig unbekannte Gewässer – warum? Plinius schreibt darüber nichts, das ist seltsam.

Es gäbe allerdings eine naheliegende Erklärung für die Expedition: Polybius könnte von Scipio beauftragt worden sein, die vor dem Sieg über Karthago für die Römer unerreichbaren punischen Kolonien am Atlantik zu erkunden. Die Römer wussten, dass etwa im 5. Jahrhundert v. Chr. der Karthager Hanno nach Westafrika bis in den Golf von Guinea gereist war, um Kolonien zu gründen, und dass die Karthager seit dieser Expedition an der westafrikanischen Küste verschiedene Stützpunkte unterhielten.[10] Lixus an der Küste Marokkos war damals die wichtigste punische Kolonie in Westafrika – ein passendes Ziel der römischen Expedition. Plinius beschreibt die Route der Schiffe genau, dann kommt die Überraschung: Die Römer segelten an Lixus vorbei und auch weit über alle anderen Kolonien hinaus – immer weiter nach Süden.[11]

Der Historiker Paul Herrmann hat sich genauer mit der Reise des Polybius und ihren Motiven befasst, und er gelangte zu folgender Überlegung: «Waren vielleicht (…) Teile der karthagischen Armada in das Weltmeer entwichen? Hatten sie Hilfe gesucht bei den punischen Küstenstationen, die Hanno seinerzeit in Nordwestafrika gegründet hatte? Es steht nicht eindeutig fest, wie weit Polybius gelangt ist. Den Senegal und das Kap Verde, etwa auf 14° nördlicher Breite, scheint er aber erreicht zu haben (…). Aber hier gab es gar keine punischen Küstenstationen mehr, wie man von Hanno weiß. (…) Warum also dehnte (Polybius) sein Unternehmen so weit aus? Nun, etwa in diesen Breiten setzt der Nordostpassat ein, jene gleichmäßige Luftströmung, die einundeinhalb Jahrtausende später einen gewissen Christoph Kolumbus in einundzwanzig Tagen von den Kapverdischen Inseln nach Amerika blies! Wer von unbarmherzigen Feinden verfolgt wurde, der mochte, wenn er ein guter Seemann war, eher geneigt sein, sich dem Passat anzuvertrauen, als auf die Gnade des Erbfeindes zu hoffen. Haben die Punier vom Passat gewusst? Haben sie vermutet, dass jenseits des Ozeans Land lag? Hat Polybius seine merkwürdig unmotivierte Fahrt nur deshalb so weit nach Süden fortgeführt, um sich zu überzeugen, dass die Karthager tatsächlich im Ozean verschwunden waren? Als Kolumbus seine großartige Tat vollbrachte, auf drei elenden Schiffen, die kaum größer gewesen sind als punische Kriegsschiffe, da hat er von Amerika nichts gewusst. (…) Trotzdem hat er den Sprung über das Meer gewagt. Haben das etwa auch schon die Punier getan?»[12]

Vieles spricht dafür, dass Paul Herrmanns Vermutung zutrifft und es Scipio um die Verfolgung karthagischer Schiffe ging, nicht um die Erkundung der westafrikanischen Küste. Strategisch machte die Fahrt so weit nach Süden keinen Sinn, und geografische Forschungsreisen über das Meer waren bei den Römern eher unüblich. Vielleicht hatte Scipio irgendwie vom Auf bruch einer karthagischen Expedition



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