Wo wir uns finden by Patrick Findeis

Wo wir uns finden by Patrick Findeis

Autor:Patrick Findeis [Findeis, Patrick]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-01-31T05:00:00+00:00


DREI

Das Schlagen der Seile im Aufzugsschacht verriet mir in der Nacht, dass die Veteranen aus der Etage unter mir zurückkamen ins Hotel, noch bevor sie ihre Zimmer betraten. Ich musste nur noch warten, bis sie fertig waren mit Waschen und Zähneputzen, die Heißwasserleitung zu singen aufhörte, dann konnte ich meinen Fernseher abstellen, dann war nur noch das Gluckern und Rumoren aus dem Inneren des Hotels zu hören, als verdaue dieser mächtige Bauch die zurückgelassenen Träume in den kleinen, schmutzigen Kammern, die »Standard Queen« oder »Bachelor« genannt wurden, vermietete man sie tage- oder wochenweise an Touristen. Ruhe war hier niemals Stille. Ich konnte nicht erfahren, in welchem Krieg die Veteranen gekämpft hatten – ihnen zumindest schien es egal zu sein; sie wirkten alterslos, und die Weißen waren schwarz und die Schwarzen weiß, als hätten sich ihre Hautfarben vermischt und angeglichen, nachdem sie aus ihrem Krieg zurückgekehrt waren.

Und in den glühenden Straßen Downtowns machte der Dreck in ihren Gesichtern die Obdachlosen gleich, die bei Einsetzen der Dämmerung von der Skid Row im Osten kamen und ihre Runden drehten rund um den Broadway. Getrieben von einem Feuer aus Drogen, Hunger oder bloßem Wahnsinn, versuchten sie, einen Dollar oder eine Zigarette zu schnorren; Bücher über Engel und Heilige, Taschenlampen oder Ketten zu verkaufen, die sie gefunden hatten oder geklaut. Die Einkaufswagen mit ihrem Besitz ließen sie angekettet an Geländern oder Laternenpfählen; in einem Takt von fünfzehn Minuten kehrten sie zu ihnen zurück, um nachzusehen, ob einer der anderen Untoten sich zu schaffen gemacht hatte an dem stinkenden Haufen aus Plastikbechern, Decken, Kleidern, Spielzeug und vielleicht der einen versteckten Erinnerung an ein Zuhause, das ihnen in diesem Leben nicht mehr genommen werden konnte. Alles und jeder bewegte sich hier im Kreis, es schien kein Entrinnen zu geben aus Downtown Los Angeles, selbst für die Feuerwehrwagen nicht, die immer in Hörweite des Hotels blieben mit ihren Sirenen und röhrenden Hupen – deren blechernes Dröhnen wie der Schrei eines janusköpfigen Minotaurus klang –, als hätten sie Angst, sich zu weit von ihrer Wache in der East 7th Street zu entfernen.

Ich hatte mein Zimmer für drei Monate im Voraus bezahlt, acht Wochen war ich bereits hier und hatte immer noch keine Entscheidung getroffen, ob ich zu Maria zurückkehren würde. Ich hatte ihr eine Nachricht hinterlassen. Sie würde mich wieder nehmen, das wusste ich, für sie hatte ich alles aufgegeben.

Die Medien machten Inglewood zum Ghetto, hatte Maria gesagt, aber sie höre immer wieder, dass es so schlimm dort nicht sei, und wir müssten hier endlich raus.

Ich hatte auf dem großen Bett unseres Motelzimmers gesessen – in dem wir nicht länger als zwei Wochen hatten bleiben wollen und in dem wir jetzt seit ein paar Monaten hausten – und aus dem quadratischen Fenster gesehen, ein frischer Ölfleck schimmerte in der Sonne auf dem Parkplatz vor unserem Zimmer.

Vier Prozent Weiße, hatte ich gesagt, und sie hatte gefragt, ob ich was gegen Schwarze hätte – und schließlich liege das Apartment im Norden, wo andere Leute lebten als in South-Central und in Compton, hatte sie gesagt und mir das zweite Paar Schlüssel ausgehändigt.



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