Wo war ich noch mal? by John Cleese

Wo war ich noch mal? by John Cleese

Autor:John Cleese [Cleese, John]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik, Autobiografie, autobiografisches Material, John Cleese, Monty Python
ISBN: 9783641123376
Herausgeber: Blessing
veröffentlicht: 2015-05-02T22:00:00+00:00


10. KAPITEL

Nach den ersten paar Tagen in Boston (Gene nahm noch ein paar Feinjustierungen an unseren Szenen vor, und ich steckte noch einiges an Arbeit ins polnische Herumwirbeln) hatte ich reichlich Zeit, um durch die Stadt zu bummeln und Leute aus dem Ensemble näher kennenzulernen. Boston mit seinen vergleichsweise historischen Gebäuden und ständigen Erinnerungen an 1776 gefiel mir. Ich fand auch ältere Relikte: Auf einem Friedhof (ich habe Freude an einem hübschen Friedhof hie und da) entdeckte ich den Grabstein eines Quäkers, Todesjahr 1660, der wegen Ketzerei von den Puritanern gehängt worden war. Ich hatte immer geglaubt, die Leute von der Mayflower seien in New England eingefallen, um religiöse Toleranz zu üben, aber ich nehme mal an, sie stellten dann fest, dass man auch zu viel des Guten tun kann. Irgendwo muss man ja Grenzen ziehen. Gott weiß, was geschehen wäre, wenn dieses gottesfürchtige Völkchen auf einen Katholiken gestoßen wäre. Da hätte es dann wohl nur noch einiger Hexen und eines Agnostikers bedurft, und sie hätten ein Unterhaltungsprogramm fürs ganze Wochenende gehabt.

Die Stadtteile rund um das Universitätsviertel waren sehr hübsch, überall Coffeeshops und Buchläden und kleine Theater. So ein Anblick schaffte es immer wieder, in mir den Gedanken aufkeimen zu lassen, wie glücklich ich in einem akademischen Leben hätte werden können, hätte ich nur etwas Akademisches gefunden, in dem ich halbwegs gut gewesen wäre. Ich stellte mir vor, wie ich mich mit einem Thema befasst hätte, das mich faszinierte, allmählich wahres Wissen akkumuliert hätte, das ich dann an kluge, begeisterungsfähige junge Menschen weitergeben würde, umgeben von brillanten Kollegen, die sich leutselig dazu herabließen, interessante Fragen mit mir zu debattieren, stets bei endlos vielen Tassen guten Kaffees oder gedankenverlorenen Spaziergängen unter sonnenbeschienenen Blättern (also nicht in England), derweil es weit und breit niemanden gäbe, der mir vorschreiben könnte, dies alles zu unterbrechen, nur um Abend für Abend exakt dieselben Sätze zu denselben Personen auf dieselbe Weise zu sagen und dabei so zu tun, als sei ich ein anderer. Es dauerte nicht lange, da empfand ich, undankbarer Wicht, der ich war, dieses ganze Theater ums Theater als eine Beleidigung meiner Intelligenz. Wenigstens behielt ich das für mich, nicht zuletzt, weil mir all die angenehmen und freundlichen Menschen um mich herum fröhlich zu verstehen gaben, dass ebendies ihre raison d’être war.

Heute, fünfzig Jahre später, weiß ich, dass ich zwar ein paar handwerkliche schauspielerische Fähigkeiten erworben, aber doch niemals das Temperament eines Schauspielers besessen habe. Selbst damals war mir schon bewusst, dass meine Lebensgeister sofort ermatten, wenn ich das Gefühl habe, nichts durch meine Arbeit hinzuzulernen, weshalb der Versuch, das Publikum nicht zu enttäuschen, auch immer eines schieren Willensaktes bedurfte. Ich nehme an, dass es mehreren aus der Cambridge-Circus-Clique so oder so ähnlich ging und dies auch der Grund war, warum wir auf der Bühne oft so herumgeblödelt oder Texte verdreht haben, um den anderen aus dem Konzept zu bringen. Sobald wir übermütig wurden, machte es wieder Spaß. Und dieser Energieschub, diese Ausgelassenheit wirkte sich dann sofort positiv auf meine Darstellung und somit auch auf das Publikum aus.



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