Wo der Tag beginnt by Sarah Lark

Wo der Tag beginnt by Sarah Lark

Autor:Sarah Lark [Lark, Sarah]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Lübbe
veröffentlicht: 2019-03-14T14:36:10+00:00


KAPITEL 6

Ruth und David Mühlen sowie natürlich Jonas, der Hund, verließen die Chathams mit einem Frachtschiff. Es fuhr diverse Walfangstationen an und lud Tran und Fischbein, um die Ware anschließend nach England zu bringen. Auch Preservation Inlet im Süden der Südinsel Neuseelands befand sich auf seiner Route. Die Reise dauerte ein paar Tage, und David nutzte die Zeit zum Bibelstudium, während Ruth den Kapitän und die Schiffsoffiziere, in deren Messe die Missionare ihre Mahlzeiten einnahmen, ausgiebig nach ihrer neuen Heimat befragte. Sie erfuhr, dass es auf der Südinsel Neuseelands zwar fast ebenso regnerisch war wie auf den Chathams, allerdings wärmer.

»Sehr üppige Vegetation«, verriet der Schiffsführer. »Regenwald, etwas ganz Spezielles. So was gibt’s in Europa nirgends.«

»Und … Ansiedlungen?«, fragte Ruth vorsichtig.

Sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich vielleicht doch auch Farmer oder Viehzüchter in der Gegend der Walfangstation angesiedelt hatten.

Captain Rumsford schüttelte jedoch den Kopf. »Nein, sorry, Mrs. Mühlen. Da gibt’s nur Natur. Und die Walfangstation selbstverständlich.«

Immerhin war nicht von Maori die Rede. Ruth hoffte, in Davids neuem Wirkungskreis wenigstens von schwierigen und gewalttätigen Eingeborenen verschont zu bleiben.

Schließlich erreichten sie einen lang gezogenen Fjord, und Ruth war sofort von der Landschaft bezaubert. In der Mündung des Fjords lag eine kleine Insel, üppig grün und offensichtlich bewohnt von Tausenden von Vögeln. Das Schiff glitt durch einen Einschnitt zwischen mehr oder weniger hohen Felsen, die teilweise bizarre Formationen bildeten. Mitunter war die Landschaft jedoch einfach nur hügelig. Ruth konnte sich gut vorstellen, dass hier irgendwann schmucke Dörfer und gepflegte Äcker entstehen würden. Gelegentlich gab es Strände, an denen sich Seehunde rekelten und Seevögel nisteten. Diese Gegend war zu schön, um das Land nicht urbar zu machen. Und David hatte nun ja umfassende Erfahrungen mit der Landwirtschaft. Vielleicht konnte er zumindest einen Teil der Walfänger bekehren und dazu anregen, sich sesshaft zu machen. Bestimmt gab es Siedlungsland im Überfluss …

Dann jedoch kam die Walfangstation in Sicht, und schon der erste Blick auf die primitiven Hütten und die am Strand arbeitenden Männer ernüchterte Ruth. Beim zweiten Blick drängte sich ihr der Gedanke auf, dass Knochen bei dieser Mission wohl ihren Weg pflasterten – nur dass es dieses Mal keine Menschenknochen waren, sondern die riesigen Skelette der Wale, die man hier an den Strand zerrte, um sie auszuweiden. Das letzte Schlachtfest dieser Art konnte noch nicht lange her sein – die Eingeweide des Tieres, mit denen die Jäger wohl nichts anfangen konnten, verrotteten im Sand und verbreiteten ihren Verwesungsgeruch bis zum Ankerplatz des Schiffes. Er vermischte sich mit dem Gestank von Walfett. Es wurde sofort am Strand ausgekocht. Die Männer waren noch damit beschäftigt, die gelblich durchsichtige Flüssigkeit in Fässer zu füllen.

»Dann werden wir Sie mal an Land rudern«, meinte Captain Rumsford, wobei Ruth der Blick, mit dem er sie streifte, fast etwas mitleidig schien. Die Schiffsoffiziere hatten ihre Gesellschaft offenbar genossen, dass ihnen David mitunter auf die Nerven fiel, hatten sie allerdings kaum verhehlen können. Zu seinem Leidwesen hatten weder Offiziere noch Mannschaftsmitglieder seine Einladungen zu regelmäßigen Gottesdiensten an Deck angenommen – ja,



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