fashion - 01 by Seiden

fashion - 01 by Seiden

Autor:Seiden
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Zickenkrieg

Die grellen Spots blendeten Lucy. Ihre Wangen waren von der Hitze der Scheinwerfer gerötet, deren Wärmeentwicklung selbst die Kraft der Sonne im Hochsommer noch locker überboten. Bei geschätzten vierzig Grad und auf hohen Schuhen wankte und schwankte sie wie ein Schiff bei Windstärke zehn über den Catwalk. Die Tatsache, dass die Schuhe nicht ihre eigenen waren und sie sich diese Monster-Hacken von ihrer Mitschülerin Li ausgeliehen hatte, machte die Sache nicht unbedingt einfacher.

Lieber Gott, lass mich bitte nicht das Gleichgewicht verlieren oder umknicken, flehte sie in Gedanken und ballte ihre Hände zu Fäusten. Und bitte lass mich keinen Absatz abbrechen, die Dinger in neu kann ich nur in Raten abzahlen!

»Oh, Musik aus!«, klatschte der zierliche Mann mit dem schulterlangen Haar am Rande des Laufstegs in die Hände und blies den seitlich angeschrägten Pony aus seinem Gesicht. »Mon Dieu, Lucy! Du stakst über den Catwalk wie ein Gürteltier auf Eiern! Als hättest du noch nie im Leben Schuhe mit Absätzen getragen.« Boris Schulz schüttelte verzweifelt den Kopf. Er war der Assistent von Clarissa Schiller, einem ehemaligen Topmodel, und für seine Ungeduld und Wutanfälle berühmt-berüchtigt – weswegen der kleine Mann bei den Schülern auch besser unter dem Namen Rumpelstilzchen bekannt war. Als Choreograf war er für das Catwalk-Training in der Fashion School zuständig. Besonders mäßig begabte Schüler in dieser Disziplin brachten ihn regelmäßig an den Rand eines Nervenzusammenbruchs.

»Das schon, Herr Schulz, aber eben nicht mit Absätzen von vierzehn Zentimetern«, entgegnete Lucy und bemühte sich krampfhaft, die Balance zu halten, was mit zitternden Knien gar nicht so einfach war. Dabei hatte sie sich anfänglich so auf das Laufsteg-Training gefreut. Nicht im Traum hätte sie damit gerechnet, dass das, was bei den professionellen Models so einfach aussah, in Wirklichkeit der reinste Knochenjob war.

»Gerade Schultern, schwingende Hüften und dann nur mit den Fußspitzen auftreten«, wiederholte der Catwalk-Coach seine Anweisung, korrigierte Lucys Haltung und stöckelte dann grazil den Laufsteg entlang – ebenfalls auf vierzehn Zentimeter hohen High Heels. »So geht das«, sagte er und vollführte am Ende des Laufstegs eine schwungvolle Pirouette. »Mit dem richtigen Feeling ist es total easy. Du musst das bis zum nächsten Mal unbedingt vor dem Spiegel üben. Und jetzt: The next one, please.«

Erleichtert, ihre Catwalk-Einheit überlebt zu haben, setzte Lucy sich an den Rand des Laufstegs und streifte sich die hohen Hacken ab. Dann lief sie barfuß zu Lykke, die neben dem Laufsteg auf einem Stuhl saß und ihr einen Platz neben sich freigehalten hatte.

»War doch gar nicht so schlecht«, empfing Lykke sie und klopfte ihrer Freundin aufmunternd auf die Schulter.

Lucy schnaufte und verdrehte die Augen. »Wenn du mit gar nicht so schlecht unterirdisch begabt meinst, dann gebe ich dir vollkommen recht.«

»Ach was«, winkte Lykke ab. »Da gibt es viel Schlimmere.«

»Nenn mir jemanden.«

»Äh, zum Beispiel … die Jungs! Stell dir mal vor, wie die sich anstellen würden, auf High Heels und so. Ben würde unter Garantie keinen einzigen Schritt vor den anderen setzen können.«

Lucy schielte rüber zu Ben, der wie immer mit hängenden Schultern und zuckender Nase desinteressiert neben Lasse saß. Von einem Konkurrenzkampf zwischen den beiden keine Spur.



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