Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) by Peters Christoph

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) by Peters Christoph

Autor:Peters, Christoph [Peters, Christoph]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: Random House DE
veröffentlicht: 2012-08-26T22:00:00+00:00


Achtzehn

»Ich weiß nicht, wie Roghmann es hinnehmen konnte, daß sie uns diesen Lenders als Spiritual geschickt haben: Abgesehen von seiner strikten Weigerung, sich zu kleiden, wie es einem Priester ansteht, hält er Böll offensichtlich auch für geistlich relevanter als die Summa des heiligen Thomas. Jedenfalls habe ich noch keinen einzigen theologisch relevanten Gedanken von ihm gehört.«

»Seit Kunze Regens ist, kommen immer mehr solche … Mir fällt gar kein Ausdruck ein, der nicht die Würde des Amtes beleidigt … Typen halt – aus dem Priesterseminar.«

»Ein Priester im bordeauxfarbenen Citroën mit abnehmbarem Verdeck.«

»Kunze will smarte Modernisten, weil er meint, damit könnte er der Kirche die Jugend zurückgewinnen. Prälat Kiewert hätte so jemanden gar nicht erst zur Weihe zugelassen.«

»Was spricht denn gegen sein Auto?«

»Erklär es ihm, Bernhard. Dein junger Freund ist in der Ausdeutung der menschlichen Natur noch nicht sehr weit fortgeschritten.«

»Wenn ich mir einen Wagen aussuchen könnte, würde ich auch eher so was nehmen als einen Kadett oder Golf.«

»Weißt du, Carl: Ein Priester sollte in seiner gesamten Erscheinung auf äußerste Zurückgenommenheit achten. Diese impertinente Art, seinen Individualismus zur Schau zu stellen, gehört sich nicht für jemanden, dessen Ziel es ist, Christus gleichförmig zu werden. Ob ein Priester grün oder blau schön findet, lieber Karotten oder Gurken ißt, interessiert niemanden. Er ist ein Diener, der Christus repräsentiert. Mit der Weihe hat er seine eigene Person, das, was Paulus den alten Menschen nennt, abgelegt, um eins mit dem Herrn zu werden. Abgesehen davon muß er natürlich auch in jeder Situation als Priester erkennbar sein, denn es kann immer und überall geschehen, daß ein Mensch plötzlich Hilfe braucht oder sich bekehren will.«

»Jesus ist halt gar nicht Auto gefahren, insofern weiß man nicht, welche Marke er bevorzugt hätte.«

»Mit der Wahl eines solchen Fahrzeugs bringt man etwas zum Ausdruck, Carl. Verstehst du das? Man macht eine öffentliche Selbstaussage, genau wie mit seiner Kleidung oder mit seiner Frisur. Oder meinst du, daß diese Entscheidungen im luftleeren Raum stattfinden, daß jeder sie für sich allein trifft, weil es ihm gerade mal einfällt?«

»Das wahrscheinlich auch nicht.«

»Und was, denkst du, möchte jemand, der so einen Citroën fährt, den Leuten von sich vermitteln?«

»Keine Ahnung.«

»Streng dein Spatzenhirn ein bißchen an. Du wirst doch wohl Bilder im Kopf haben, wenn du an dieses Auto denkst?«

Nicken.

»Welche zum Beispiel?«

»Was Französisches halt. Paris, Schwarz-Weißfilme, Gauloises, Maigret, Rollkragenpullis … Oder dieser Philosoph, der letztes Jahr gestorben ist und so geschielt hat … Roghmann hat noch darüber gepredigt.«

»Sartre. Bravo. – Woher hat er das bloß, diese Fähigkeit, Dinge sofort auf den Punkt zu bringen? – Weißt du zufällig auch welche Philosophie Sartre gelehrt hat?«

Achselzucken.

»Natürlich nicht. Wie auch? Du beschäftigst dich in der Hauptsache mit dem Liebesleben von Fischen, da kannst du dich nicht um philosophische Grundfragen kümmern. Spielt ohnehin keine Rolle für einen angehenden Ichthyologen: Das Wissen von heute folgt der Empirie, nicht wahr: ›Ich glaube, was ich sehe.‹ Wie dieser amerikanische Schwachkopf, der vom Mond mit der Erkenntnis zurückkam, daß er Gott dort draußen nirgends hat entdecken können … – So ein Citroën steht exemplarisch für das Lebensgefühl



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