Wer zweimal stirbt, dem glaubt man nicht by Karin Köster

Wer zweimal stirbt, dem glaubt man nicht by Karin Köster

Autor:Karin Köster
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-944257-88-4
Herausgeber: Hallenberger Media UG (haftungsbeschränkt), Schardt Verlag e.K.
veröffentlicht: 2013-03-06T16:00:00+00:00


5

Bertold Biermann wohnte noch immer bei seinen Eltern. Das Haus war eines dieser typischen, schlichten Einfamilienhäuser aus den fünfziger Jahren. Im Flachdachanbau aus gelbem Klinkerstein hatte der Sohn ein eigenes Reich erhalten, als er flügge geworden war.

Das Herbstlaub hatte sich unter den Büschen verfangen und bedeckte als matschige, dunkle Platten den Rasen. Verwitterte Rosenspaliere, zerbrochene Beeteinfassungen aus gewelltem Kunststoff und eine verrostete Hollywoodschaukel waren Zeugen einer besseren Zeit.

Ich umrundete einen perlmuttweißen BMW 750i und drückte auf Bertolds Klingel. Zwei steinalte Gesichter tauchten neben mir unter einer Gardine auf, gleichzeitig schwang die Tür auf.

„Sie wünschen?“ fragte Bertold.

Ich nahm den bayrischen Schlapphut ab und stopfte ihn in meine Handtasche.

„Ach du bist’s, Martha. Gehst du zum Fasching?“ erkundigte er sich.

„Nee, ich suche Irmgard Fischers Sohn. Wohnt er tatsächlich in deiner Nachbarschaft? Ich hab ihn im Telefonbuch nicht gefunden.“

Hinter der Fensterscheibe verzog Biermann senior die Lippen zu einem zahnlosen Grinsen, seine Frau schaute trübe vor sich hin.

„Kein Wunder, dass der nicht drinsteht. Jede Wette, dass der gar kein Telefon hat. Das ist’n Einsiedler. Versteckt sich vor der Welt, wenn du mich fragst.“

„Hast du ne Ahnung, warum?“ Die meisten Klatschgeschichten und Mutmaßungen enthalten zumindest einen Funken Wahrheit.

Bertold kratzte sich den behaarten Bauch. Er war der Typ Jogginghosenträger, denen man nicht abkauft, dass sie irgendeinem Sport nachgehen. Sein T-Shirt hatte beim Waschen die ursprüngliche Form eingebüßt und war sehr breit und sehr kurz.

„Angeblich will er Dichter werden. Was sollen das für Gedichte werden, wenn er nicht vor die Tür geht und nix erlebt?“

„Wohnt er schon länger in der Straße?“

„Ein paar Jahre. Zusammen mit seiner Kommunitonin oder wie das heißt. Die beiden ham aber nix miteinander, is bloß ne WG. Dämlich, der Junge! Wenn ich er wäre, hätt ich se längst vernascht. Willst du reinkommen?“

Einladend öffnete er die Tür und gab damit den Blick auf eine Ansammlung gelber Müllsäcke frei. Ich lehnte dankend ab und erkundigte mich erneut nach der Adresse.

„Was willste denn von dem? Warum hast du überhaupt plötzlich so’n Interesse an Irmgard?“

„Die Adresse!“ erinnerte ich ihn.

„Drei Häuser weiter, Nummer vierzehn. Ich glaub nicht, dass du ein Wort aus ihm rauskriegst, der kriegt die Zähne nicht auseinander.“

Ich dankte Bertold und folgte den schiefen Gehwegplatten zurück zur Straße.

„Erzähl mir, wie’s gelaufen ist“, rief er mir hinterher.

Das Haus glich dem der Biermanns, nur der Anbau fehlte. Eine Frau in losen Batikkleidern und Jesuslatschen öffnete die Tür. Ihre glatten Haare reichten bis zu den Ellenbogen.

„Sie sehen ja lustig aus!“ kicherte sie und entblößte beim Lachen ein Zungenpiercing. Ich holte den Seppelhut aus der Tasche und winkte ihr damit zu.

„Noch ein halbes Jahr, dann ist’s modern. Ein extravagantes, superbequemes Ensemble – für die Dame von Welt“, imitierte ich einen Sprecher am Laufsteg.

Die Frau grinste. „Und was treibt sie von Paris nach Bremerhaven?“

„Ich möchte zu Herrn Fischer“, sagte ich und stopfte den albernen Hut wieder in die Handtasche.

Sie wurde ernst. „Hartmut geht’s heute nicht gut, ich glaube nicht, dass er Besuch haben möchte.“

„Seine Mutter ist gestorben, das wissen Sie sicher. Ich bin hier, um mit ihm über die Trauerfeier zu sprechen.“

Mein Gegenüber nickte zögernd.



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