Wenn wir sterben by Ernst-Wilhelm Händler

Wenn wir sterben by Ernst-Wilhelm Händler

Autor:Ernst-Wilhelm Händler [Händler Ernst-Wilhelm]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Frankfurter Verlagsanstalt GmbH
veröffentlicht: 2015-07-29T16:00:00+00:00


VIERTER TEIL

. . . – dafür wurde Stine als allererste ins Museum eingelassen.

Ein paar Sekunden lang war Stine die einzige Person, die den Models gegenüberstand.

Fünfzehn Models in schwarz-roten Bikinis und Stilettos und fünf nackte Models, die nur die straßbesetzten Schuhe anhatten.

Das war kraß.

Die Gucci-Bikinis und die Gucci-Schuhe schimmerten toll.

Stine wollte dem Model vor ihr in die Augen sehen, aber es blickte weg. Sie versuchte, einem anderen in die Augen zu sehen –

Stine fiel ein, daß sie unbedingt mit den Models sprechen wollte.

»Sind die Schuhe bequem?«

»Gefällt’s Ihnen?«

»Hassen Sie die Zuschauer?«

Sie ging herum und suchte die Künstlerin.

Die Künstlerin antwortete ultrahöflich, nein. Es ist verboten.

Stine ärgerte sich, daß sie nicht ihr Gucci-Kostüm angezogen hatte, vielleicht hätte die Künstlerin dann Vertrauen gefaßt.

Oder war das Teil der Performance?

»Nach fünfundzwanzig Jahren Feminismus!«

Ein Kritiker stürmte aus dem Raum.

»Brutal süß!«

Ein Künstler.

»Aber jetzt muß ich an meine Arbeit.«

»Naked chicks! Great!«

Während sich die geladenen Gäste zuprosteten, schmolz die Show wie eine Skulptur aus Eis. Zwei Nackte, Zwillinge, schwankten. Bei einer anderen löste sich der Absatz vom Schuh. Mehrere setzten sich auf den Boden. Hinter Stine flüsterte jemand, die Models seien vorher beim besten Friseur der Stadt gewesen, der sich um die Schamhaare gekümmert habe.

– Alle Models hatten dasselbe beigefarbene Body-makeup aufgetragen –

THE ARTIST VIEWS HER LIVE MATERIAL AS PURELY VISUAL: NO ACCENTS ON THE WOMEN’S PERSONALITIES OR ORIGIN, NOR IS ANY EMPHASIS ON FEMINITY INTENDED.

Trotzdem waren die Frauen schön, ihre Schuhe, ihre Gesichter, ihre Bikinis, ihre Posen.

– das inzestuöse Spiel von Wiederholung und Variation

– die Unheimlichkeit eines Fast-Mimikry

– Nacktheit als eine Form von Kleidung

– Sexualität als Gegenteil von Intimität

Jemand, der stillsteht, ist niemals völlig bewegungslos.

– Die Körperfresser haben das Museum erobert –

einer sagte, gut, gut, gut, ein anderer wiederholte das direkt, gut, gut, gut.

Rubbernecking und Networking.

Jemand rief ja und lachte.

»Hallo Stine, süßes hübsches Bärchen!«

O ja –

wow –

hm –

du –

Stine hatte vergessen, wo sie hinsollte, sie wußte nicht mehr, was, wo, wie, wann, warum.

Die rettende Idee: sich auf den Boden setzen, wie die Models.

Angel und Drifter redeten, fragten, schauten. Bär war nicht eingeladen, Drifter redete wie immer.

NUMBER ONE AND NUMBER TWO

Found stuffed animals and string

(gelber Bär und brauner Affe)

. . . – erschloß der Laufstall das Reich der kollektiven Erinnerung, der tiefen Gefühle und der unstillbaren Erwartungen. Trotz seiner minimalistischen Struktur verkörperte das Werk eine Flut von kunsthistorischen Referenzen ebenso wie ein komplexes Gewebe von unverwechselbar persönlichen Zeichen.

Der disparate Spielraum der Assoziationen, die der Künstler und der Zuschauer dem essentiell banalen Objekt zuschrieben –

es gab so wahnsinnig viel gute Kunst aus den achtziger Jahren, vor allem natürlich Objekte, Installationen, Tafelbilder, die ganzen Entwicklungslinien, Richtungen, kaum stand man vor einem Kunstwerk, saugte man sofort seine extrem hochinteressante Aussage an.

Irgendwie war der Laufstall viel zu hoch, und die Stäbe waren viel zu dick.

Die Mutter des Künstlers auf einem Krankenbett. In einem weiten weißen Rock und einer Bluse ohne Knöpfe.

Der Weg zur Decke durch zehn an der Wand befestigte Kästen aus rostfreiem Stahl und rosa Plexiglas versperrt.

»Hast du das Geschenkpaket mit den Därmen und dem Magen und der Leber und der Milz gesehen?«

Schon schön



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