Welten auseinander by Julia Franck

Welten auseinander by Julia Franck

Autor:Julia Franck [Franck, Julia]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104035574
Herausgeber: FISCHER E-Books


Zweimal in der Woche fuhr ich ins Rendsburger Schwimmbad. Auf dem Weg hielt ich vor der Stadtbücherei im Park und tauschte den Stapel gelesener Bücher gegen neue aus. Inzwischen wusste ich, mit welchem Griff der Seeretter einen Ohnmächtigen im Wasser mit sich nimmt, ich war Rettungsschwimmerin und wollte vielleicht eines Tages Leben retten. Ein großes Mädchen im Schwimmverein sagte unter den Duschen zu mir, ich hätte vermutlich Fußpilz und sollte den behandeln lassen, ehe ich wiederkäme. Tatsächlich pellte sich die Haut an meinen Füßen. Allerdings pellte sich manchmal auch die Haut an den Händen. So schnell und geschickt wir beim Verrichten der Hausarbeiten auch wurden, es gab Tage, wo der Abwasch der vielköpfigen Familie von mehreren Mahlzeiten eine Stunde und länger dauerte, da konnte die Haut im lauwarmen Seifenwasser aufweichen. Waschfrauenhände. Blasen gab es an den Füßen von den oft zu kleinen oder zu großen Schuhen, die im Herbst und Winter nass von Regen und Schnee waren, so dass man sie zu Hause mit Zeitungspapier ausgestopft umgedreht auf den Ofen oder den warmen Heizkörper der Küche stellte. Wir hatten kein Geld für ein zweites Paar Schuhe zum Wechseln, so dass sie am nächsten Morgen wieder trocken sein mussten und monatelang durchgehend getragen wurden. Auch vom Straßefegen und Schneeschippen, Getreidemahlen und Gärtnern gab es Schrunden und Blasen an den Händen, die manchmal aufplatzten. Mal waren die Hände trocken, dann wieder schweißnass, sobald ich nur ein bisschen aufgeregt war. Ohnehin musste ich sie in diesen Monaten ständig waschen. Waren es Pilze, die meine Haut schälten? Nach dem Abwaschen leuchteten die aufgequollenen Warzen weiß. Ich schämte mich für meine Warzen wie für meine Haut und die schäbige, an den Ärmeln ausgefranste Kleidung, die nie ganz sauber war. Da ich oft mit dem Ärmel versuchte, meine Hände zu bedecken, sie über die Fäuste und Finger zog, hatten meine Ärmel unzählige kleine Löcher am Saum. Ich schämte mich.



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