Was ich nie gesagt habe by Susanne Abel

Was ich nie gesagt habe by Susanne Abel

Autor:Susanne Abel [Abel, Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783423441117
Herausgeber: dtv


Am Montag – sie sind erst spät am Sonntag zurück nach Köln gekommen – fährt er den Kleinen nach Porz, wo Tagesmutter Helga und seine Mam schon sehnsüchtig auf ihn warten. Weil sich die beiden voller Leidenschaft auf Carlchen stürzen, bemerken sie nicht, dass Tom nicht wegfährt, sondern in der Tiefgarage parkt. Dort setzt er den Wagen zurück, sodass es nur wenige Meter zu den Kellerräumen sind. Zielstrebig zieht er Kartons der Praxis seines Vaters aus dem Regal und packt so viele wie möglich in den Kofferraum seines X5ers. Er muss sich Klarheit verschaffen, indem er nach und nach alle Unterlagen auswertet.

Was für ein elendes Erbe, denkt er und fährt über den Rhein, zur Bastei, in der eine erste Bauabnahme stattfinden soll.

»Wunderbar.« Tom ist begeistert von den Farben sowie den Ideen für das Lichtkonzept und bespricht mit Christoph Himmelsbach, dem Architekten, die nächsten Schritte.

»Ich soll Ihnen Grüße von meiner Mutter ausrichten«, sagt der Architekt beim Verabschieden. »Sie kannte Ihren Vater gut.«

O Gott, denkt Tom und hofft, dass Himmelsbach nicht auch in der Praxis gezeugt wurde.

Im Sender nimmt er an einem Strategiemeeting teil, wägt mit seinen Redakteuren die Themen für die erste Sendung ab – die Verknüpfung von Weltpolitik mit nationalen Ereignissen soll das Prinzip der Sendung werden. Die Zunahme von islamistischen Anschlägen in Europa und auch die Motive von aus Deutschland stammenden Dschihadisten stehen im Mittelpunkt.

»Wir könnten Thomas Mücke einladen vom Violence Prevention Network«, sagt Victoria, die neue Redaktionsleiterin, die extra für die Sendung eingestellt wurde. »Der vertritt die Meinung, dass junge Menschen, die ohne Väter aufgewachsen sind, in die Arme von Radikalen getrieben werden. Nicht die Ideologie ist es, die sie anzieht. Vielmehr sind junge Männer anfällig für hypermaskuline Männlichkeitsbilder.«

»Interessant«, hört Tom sich sagen und überlegt, ob es nicht besser für ihn gewesen wäre, trotzdem ohne Vater aufzuwachsen. Er hat keine Antwort auf diese Frage.

Auf seinem Handydisplay erscheint das Konterfei von Henk, der erneut versucht, ihn zu erreichen. Tom reagiert nicht und sinniert, wie er ihm sagen könnte, dass sein Vater als Gynäkologe offensichtlich Samenspender war. Vergeblich, denn auch hierzu fällt ihm nichts ein.

Als er mit seinem Wagen aus der Tiefgarage des Senders fährt, traut er seinen Augen nicht. Hinter der Schranke steht Henk. Angelehnt an den einzigen Baum weit und breit, die Arme vor dem Körper verschränkt, wirkt er wütend und entschlossen. Tom ist fassungslos, dass er ihm hier auflauert, und er fragt sich, wen er alles angerufen hat, um herauszubekommen, wo er wann ist. Er lässt die Seitenscheibe herunter. »Was machst du hier?«

»Ich muss mit dir reden!«

»Aber …«

»Ich hab dir drei Tage Zeit gegeben, zu reagieren. DREI TAGE!«

»Aber ich muss jetzt den Kleinen abholen«, versucht es Tom.

Doch Henk hört ihm nicht zu, geht um den Wagen herum, öffnet die Beifahrertür und setzt sich neben ihn. »Warum gehst du mir aus dem Weg?«

»Ich gehe dir nicht …«

Bevor Tom den Satz zu Ende bringen kann, konfrontiert ihn Henk mit dem nächsten Vorwurf: »Warum hast du mir nicht gesagt, dass Konrad Gynäkologe war?«

»Ich dachte nicht, dass das wichtig ist«, sagt Tom.



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