Vier Paare und ein Ring - Roman by Karin Nohr

Vier Paare und ein Ring - Roman by Karin Nohr

Autor:Karin Nohr
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Knaus
veröffentlicht: 2012-11-14T05:00:00+00:00


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Rückfahrt in Bombenstimmung

Das Schweigen zwischen Dirk und ihr auf der Rückfahrt mit Radiobeschallung war für Brigitte durch die Ohrstöpsel mit Händen zu greifen. Sie hatte die ganze Aufführung hindurch nicht verwinden können, dass Dirk im Elbschlösschen doch die »Bombe« mit den amerikanischen Atompiloten geworfen hatte. Dabei hatte sie ihn auf der Hinfahrt dringlich gebeten, mit dieser Information nicht das Gespräch zu belasten: »Man mag das dann gar nicht mehr in Ruhe anhören! Muss immer an Hiroschima denken!« Dirk hatte sie ausgelacht, ihre Einwände albern gefunden. Übertrieben. Realitätsfremd. Unpolitisch. Und naiv: Sie solle doch nicht von ihrer Unkenntnis auf die der anderen schließen. Jeder wisse darüber Bescheid. Kurt Schwemmers zum Beispiel. Also wirklich, das sei doch nicht neu für den! Er hatte sich aufgeregt, wie immer. »Dann halte dich meinetwegen zurück. Ich kann dann jedenfalls nicht mehr zuhören.« »Du vielleicht nicht. Aber andere!« »Andere auch nicht! Selbst wenn sie es wissen: Es ist etwas anderes, ob man es ihnen direkt vor der Oper auf dem Butterbrot serviert, diese entsetzlichen Bilder mit der abgelösten Haut …« »Ach, nun hör doch auf. Das ist dein Problem, du musst das einfach wegschalten. Dann kannst du dir auch keine Tagesschau ansehen.«

Brigitte hatte in den Tagen vor der Dresdenfahrt mit der Überarbeitung von Dirks Text begonnen und ihn darauf vorbereitet, es würde nur langsam vorangehen, weil das Kapitel inhaltsschwer und umfangreich sei und sie sich erst hineindenken müsse. Bei der Anfahrt auf das Opernhaus hatte sie den Einfall gehabt, Dirk zu loben: wie »exzellent« das Kapitel »im Rohbau« sei, dass er ganz entspannt die Walküre genießen könne, und noch einmal hinzugefügt: aber bitte ohne »Bombe«. Da hatte er ihr in seiner Freude zugestanden, Ruhe zu geben. Und dann doch.

Wieso? Brigitte brütete im Dunkel der Fahrt vor sich hin. Dirk hatte die Bemerkung ganz zum Schluss hingeworfen, als man gerade im Aufbruch vom Elbschlösschen hinüber in die Oper war. Vorher hatte er auffällig wenig an der lebhaften Unterhaltung teilgenommen, die um die Frage gekreist war, wer eigentlich Wotans Widerpart darstellte. Brigitte hatte darüber fast ihre Besorgnis vergessen, der Austausch war direkt angenehm gewesen. Bis Annegret plötzlich wieder auf die damalige Inszenierung in Berlin mit dem Tunnel als Atombunker und damit als Ausdruck einer totalen Verschanzung zu sprechen kam. Schnell hatte Brigitte ängstlich zu Dirk geblickt, aber er hatte bei dem Wort »Atom« nicht mit der Wimper gezuckt. Thomas Diesterkamp hatte die Verschanzungsthese weiter gesponnen, es gehe in der Walküre wie im Ring insgesamt um den Konflikt: lebendige Veränderung versus Charakterpanzerung. Wer könne sich verändern? Wer müsse sich verschanzen? Brünnhilde lehne sich gegen den geliebten Vater auf, um ihr Selbst zu entdecken und zu erproben. Dieser lebendige Impuls helfe ihr aus der mädchenhaften Vatertochter samt Ritterrüstung heraus – sie werde zur Frau. Sie verändere sich. Brigitte hatte erleichtert durchgeatmet und sich sogar mit einem eigenen Beitrag beteiligt, als Kurt Schwemmers die Frage aufwarf, ob denn Wotan von dem Aufbegehren eigentlich profitiere oder nicht. Ob eine Tochter eines so widersprüchlichen Mannes wie Wotan sich überhaupt individuieren könne. Es gab



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