Vergebliche Entwarnung by Patricia Cornwell

Vergebliche Entwarnung by Patricia Cornwell

Autor:Patricia Cornwell [Cornwell, Patricia]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Knaur
veröffentlicht: 1993-03-02T16:00:00+00:00


8

Das Behavioral Science Unit des FBI war in den unterirdischen Ausläufern der Academy in Quantico untergebracht. Während ich darauf wartete, daß jemand den Hörer abnahm, sah ich das Labyrinth der kahlen Gänge und die mit Akten vollgestopften Büros vor mir, in denen elegant gekleidete Krieger wie Benton Wesley arbeiteten. »Tut mir leid, Dr. Scarpetta, Mr. Wesley ist beim Skifahren«, erklärte mir eine freundliche Vertretung. »Und ich kann Ihnen auch sonst mit niemandem dienen: Ich bin ganz allein hier.«

»Aber es ist dringend. Ich muß unbedingt mit ihm sprechen.«

»Ich werde sehen, was ich tun kann.«

Wesley rief mich fast umgehend zurück.

»Benton! Wo stecken Sie?« Die Verbindung war extrem schlecht, und ich mußte schreien.

»Im Auto«, antwortete er. »Connie und ich haben Weihnachten mit ihrer Familie in Charlottesville gefeiert, und jetzt sind wir auf dem Weg nach Hot Springs. Ich habe gehört, was Susan Story zugestoßen ist. Das arme Mädchen! Ich hätte Sie heute abend ohnehin angerufen.«

»Ich kann Sie kaum verstehen.«

»Bleiben Sie dran!«

Voller Ungeduld wartete ich.

»Jetzt müßte es besser sein«, meinte er endlich. »Wir sind aus dem Tal raus. Hören Sie mich?«

»Laut und deutlich.«

»Also, was kann ich für Sie tun?«

»Ich brauche die Hilfe des ›Büros‹ – für die Analyse einiger Federn.«

»Kein Problem. Ich werde Dauney anrufen.«

»Es widerstrebt mir, Sie in Ihrem Urlaub zu behelligen, aber ich muß mit Ihnen reden.«

»Warten Sie einen Moment!« Er sprach mit seiner Frau. »Laufen Sie Ski?« fragte er dann.

»Kommt darauf an, was Sie darunter verstehen.«

»Connie und ich werden ein paar Tage im Homestead Hotel verbringen. Können Sie aus Richmond weg?«

»Ich werde es möglich machen – und ich bringe Lucy mit.«

»Sehr schön, dann können Connie und Ihre Nichte sich gemeinsam die Zeit vertreiben, während wir fachsimpeln. Und bringen Sie das ganze Material mit, das für unser Gespräch relevant ist.«

»Okay.«

»Auch die Unterlagen, die Sie vom Fall Robyn Naismith haben. Wir dürfen nichts außer acht lassen, um eine Lösung zu finden.«

Mir fiel ein Stein vom Herzen. »Danke, Benton! Und sagen Sie bitte auch Connie Dank!«

»Das wird Ihnen guttun«, sagte meine Sekretärin, die ich in dem Glauben ließ, ich wolle mich in dem Fünf-Sterne-Hotel erholen, und notierte sich die Nummer des Homestead. Als ich Rose bat, Marino zu informieren, wo ich zu erreichen sei, falls es etwas Neues in Sachen Susan gebe, schimmerten Tränen in ihren Augen. »Aber bitte, sagen Sie es sonst niemandem«, fügte ich hinzu.

»In der letzten Viertelstunde haben drei Reporter angerufen«, berichtete sie. »Unter anderem einer von der Washington Post.«

»Ich möchte im Augenblick keine Stellungnahme abgeben. Sagen Sie, daß wir noch auf die Laborergebnisse warten und daß ich derzeit nicht in der Stadt bin.«

Auf der Fahrt in die Berge wurde ich von Bildern heimgesucht. Ich sah Susan in ihrer formlosen Arbeitskleidung vor mir und die Gesichter ihrer Eltern, als sie erfuhren, daß ihre Tochter tot war.

»Tante Kay, ist irgendwas?« fragte Lucy besorgt.

»Ich bin nur in Gedanken«, beruhigte ich sie und konzentrier

te mich auf die Straße. »Das Skifahren wird dir bestimmt

gefallen. Ich glaube, du wirst dich sehr geschickt anstellen.«

Sie schaute schweigend nach vorne. Blaßblau wölbte sich der Himmel über den schneebedeckten Bergen in der Ferne.



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