Unterleuten: Roman (German Edition) by Zeh Juli

Unterleuten: Roman (German Edition) by Zeh Juli

Autor:Zeh, Juli [Zeh, Juli]
Die sprache: deu
Format: azw3
Herausgeber: Luchterhand Literaturverlag
veröffentlicht: 2016-03-07T16:00:00+00:00


32 Schaller

Der Tag hatte gut angefangen. Schaller war dabei, sein Frühstück im Hof einzunehmen – schwarzer Kaffee und Würstchen aus dem Glas –, als das Telefon klingelte. Er hörte zu, sagte nichts, legte auf und ging mit dem Gartenschlauch zur Grundstücksgrenze, um die Feuer zu löschen.

Danach begann er in aller Ruhe, einem VW-Bus den kaputten Katalysator rauszuschlagen. Von außen würde der Eingriff nicht zu sehen sein, und in einer freien Werkstatt schaffte der Wagen die Abgasuntersuchung auch ohne Kat. Die eingesparten Kosten des Ersatzteils konnte Schaller zur Hälfte für sich verbuchen. Das nannte er ein Geschäft.

Um elf setzte er sich zum zweiten Frühstück auf die Bank, trank einen weiteren Kaffee und löffelte Pressfleisch aus der Dose. So liebte er die Arbeit: ohne Hektik, ganz für sich, nur er und die Autos und der Geruch von Schmieröl. Wenn die Arbeit stimmte, dann stimmte das ganze Leben.

Gegen halb eins klingelte das Handy erneut. Schaller hörte zu, sagte »geht klar« und ging in die Scheune, um einen vollen Benzinkanister zu holen. Er trug Autoreifen zur Grundstücksgrenze, legte jeweils einen auf die Feuerstellen und goss einen ordentlichen Schwung Benzin darüber. Wenige Minuten später zog der giftige Qualm wieder zu den Vogelschützern hinüber.

»Dein Zeug wird dann gebracht«, hatte Gombrowski am Telefon gesagt. Natürlich wusste Schaller, was Gombrowski vermochte und dass er hundertprozentig zu seinem Wort stand. Trotzdem war er überrascht, als bereits zwei Stunden später ein Pritschenwagen vor dem Tor hielt und hupte. Damit stand fest, dass dieser Dienstag, 20. Juli 2010, nicht nur gut, sondern hervorragend werden würde.

Am Steuer saß der magere Rothaarige und schaute starr geradeaus, während Schaller das Tor mit übertriebener Verbeugung öffnete und dem einfahrenden Pritschenwagen salutierte. Ein Blick genügte, um zu wissen, dass sie dieses Mal tatsächlich seine entführte Freundin dabeihatten, die er so schmerzlich vermisste. Als der Rothaarige die Seitenwände herunterklappte, sah Schaller die kräftigen, rot lackierten Hubsäulen auf der Ladefläche liegen. Daneben vier Tragarme, die sie bald wieder nach ihm ausstrecken würde. Da waren die Rohre der mechanischen Gleichlaufüberwachung. Dicke Kabelstränge sowie der einfache Bedienkasten mit einem Drehschalter für »an« und Knöpfen für »hoch« und »runter«. Es war, als käme sein altes Leben zu ihm zurück, gebraucht und in Einzelteilen, aber voll funktionsfähig und zum Wiederaufbau bereit.

»Gabelstapler?«, fragte der Rothaarige.

»Träum weiter, Arschloch«, erwiderte Schaller.

Der Rothaarige bellte seinen quadratköpfigen Kumpel an, bis dieser widerwillig aus der Fahrerkabine kletterte. Schaller machte ein Bier auf, telefonierte kurz mit Miriam, die er um einen Gefallen bitten wollte, und sah feierlich zu, wie die beiden sich mit dem Ausladen mühten. Wie sie fluchten und stöhnten, wie ihre Hemden dunkle und die Gesichter rote Flecken bekamen. Erst bei den Hubsäulen fasste er mit an, um die Beine seiner Freundin vor einem Sturz in den Hof zu schützen. Als der letzte Karton mit Schrauben auf dem rissigen Beton stand, saß der Quadratschädel schon wieder auf dem Beifahrersitz. Auch der Rothaarige strebte der Fahrerkabine zu.

»Hiergeblieben«, sagte Schaller. »Aufbauen.«

Eine gute Stunde später gelang es ihnen, die erste Hubsäule im Inneren der Scheune mithilfe von Zugseilen aufzurichten. Sie



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