Tradition in der Literatur der Wiener Moderne by Wilhelm Hemecker Cornelius Mitterer David Österle

Tradition in der Literatur der Wiener Moderne by Wilhelm Hemecker Cornelius Mitterer David Österle

Autor:Wilhelm Hemecker, Cornelius Mitterer, David Österle
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2017-04-15T00:00:00+00:00


Ausblick

Schnitzler war in seinem autorspezifischen Wissen sowie in seiner genuinen Rezeption der italienischen Renaissance von einem pluridiskursiven und hochgradig präfigurierten Bild der Epoche geprägt. Gleichwohl lohnt ein Blick auf die tatsächlich durch Lektüre oder Anschauung unmittelbar erschlossenen Autoritäten, Texte, Kunstzeugnisse, Stilrichtungen und Ideologismen der Zeit, konturieren sie doch das gehaltliche und ästhetische Repertoire, das dem ,Renaissancisten‘ Schnitzler gestalterisch zur Verfügung stand.

Dabei erweist sich dieser in seiner Bezugnahme weniger als ekstatischer Kunstjünger oder radikaler Formerneuerer, der intermediale Referenzen in transgressive Ekphrasis überführte, denn als Analogie-Virtuose und atmosphärischer Stimmungsbildner: Gerade weil Schnitzlers Epochenrezeption vergleichsweise autonom und nicht allzu sehr durch dominante Vermittlerfiguren und -interpretamente ideologisch aufgeladen war, gelang es ihm, auch nach Überwindung der ,hysterischen Renaissance‘751 an der Referenzkultur des italienischen Mittelalters festzuhalten. Denn im Gegensatz zu manchen Zeitgenossen und Weggefährten752 ging bei Schnitzler die Renaissancerezeption niemals deckungsgleich im Renaissancismus auf, was es ihm, nur wenige Jahre nachdem er selbst am Renaissancismus partizipiert hatte, ermöglichte, renaissancistische Bezugnahmen zum Zwecke der Authentisierung dieser inzwischen desgleichen historisch gewordenen Zeit poetisch neu zu funktionalisieren. Dadurch konnte die Epoche dem ästhetischen Bedeutungsverlust und der Musealisierung entgehen. Für den souveränen Traditionsverwahrer blieb die Renaissance literarisch disponibel und schöpferisch (re-)modulierbar.

So gelingt es Schnitzler sogar, die eigene produktive Renaissancerezeption, die als dramatische Talentprobe integraler Bestandteil seiner Dichterwerdung war, literarisch zu ironisieren. Denn die eingangs zitierte optische imitatio artificis, in die Schnitzler sein mit Rembrandthut drapiertes Jugend-Ich retrospektiv stellt, hat ein fiktionales Vorbild: Bereits in der 1894/1895 entstandenen Künstlernovelle Später Ruhm (ED 2014) stattet er den Zivilisationsliteraten Christian in beinahe wörtlicher Konkordanz „durch lange Haare, fliegende Krawatte und etwas unstete Augen“753 rein äußerlich mit Attributen des eigenen Erscheinungsbildes aus, sodass es der revelatorischen Marginalie, dass Christian auch noch ausgerechnet „Dramen, hauptsächlich historische in fünf Akten“754 schreibt, eigentlich nicht mehr bedürfte, um zu erahnen, welcher historische Dichter für diesen Historiendichter Pate stand.



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