Tage des Lichts by Renk Ulrike

Tage des Lichts by Renk Ulrike

Autor:Renk, Ulrike
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2019-02-16T16:00:00+00:00


Kapitel 13

Gans hatte Ruth bisher noch nicht zubereitet, wohl aber Ente und jede Menge Hühner. Sie erinnerte sich daran, dass Frau Jansen, ihre frühere Köchin, immer Äpfel in die Gans gesteckt hatte. Das Fett aus dem Bauchraum hatte sie herausgeschnitten und in einem kleinen Topf langsam erhitzt – so machte es Ruth jetzt auch. Sie salzte die Gans, tat ein paar Zweige Beifuß in den Bauchraum und stopfte ihn dann mit Äpfeln. Anschließend schob sie ihn in das Rohr. In der Küche gab es keinen gemauerten Herd, sondern eine kleine Küchenhexe, die mit Kohl und Briketts geheizt wurde. Überall in der Stadt schien man diese Art Öfen zu haben, denn über den Straßen lag eine Wolke aus Qualm.

Aber der Herd wurde schnell heiß und brannte gut, stellte Ruth zufrieden fest. Besser als der riesige Herd in der Küche der Sandersons, den sie lange anheizen musste, bis er Temperatur hatte. Schon bald roch es köstlich.

Ruth hatte die Gans auf ein Ofengitter gelegt, darunter hatte sie eine Auflaufform geschoben, in die jetzt das Fett tropfte. Aus Milch, Eiern und Mehl hatte sie einen dünnen Teig gerührt, der nun auf dem Küchentisch stand.

»Was wird das?«, fragte Ilse neugierig.

»Das nennt man hier Yorkshire Pudding – aber es ist kein Pudding, so wie wir ihn kennen, sondern eine Art Beilage – ein wenig wie fettige Pfannkuchen, aber nicht süß, sondern eher herzhaft. Es ist ein typisch englisches Sonntagsgericht – man muss den Teig in Fett ausbacken, und deshalb dachte ich, dass es gut passt.«

»Das hört sich interessant an«, sagte Martha.

In der Küche war zu wenig Platz für Gäste, also hatten sie im Wohnzimmer, das auch nicht besonders groß war, die Möbel zur Seite gerückt und gedeckt. Der große Esstisch aus Krefeld war, genauso wie die alte Anrichte, die dafür in zwei Teile zersägt werden musste, nach Amerika zu Karls Cousine geschickt worden. Das hatte Martha schon 1938 veranlasst, als sie die Affidavits von der Cousine bekommen hatten.

Hier hatten sie nur einen wackeligen Küchentisch. Aber Karl hatte sich von dem Malergeschäft auf der anderen Straßenseite zwei große Holzböcke geliehen und dann die Tür ihres Kleiderschranks ausgehängt und auf die Böcke gelegt. Zur Feier des Tages hatte Martha doch eine der guten Tischdecken aus Damast ausgepackt. Sie lag nun über dem improvisierten Tisch. Es schellte – die Koppels kamen und brachten allerlei mit. Zum einen hatten sie ein paar Stühle dabei, dann den großen Topf mit dem Rotkohl, den Tante Hilde schon gestern gekocht hatte. Es duftete köstlich, als Ruth ihn auf den hinteren Teil des Herds schob.

»Wann kommen die Nebels?«, fragte Ruth.

Karl schaute auf seine Uhr. »Sie wollten gegen vier Uhr da sein, rechtzeitig zum Anzünden der Kerzen.«

Dann hatten sie noch gut eine Stunde Zeit, stellte Ruth fest. Während Ilse, Marlies und Tante Hilde im Wohnzimmer den Tisch deckten, öffnete Onkel Werner eine Flasche Schaumwein, die er mitgebracht hatte.

»Wir müssen anstoßen«, sagte er fröhlich. »Anstoßen darauf, dass wir hier alle zusammen sein und Chanukka feiern können.«

»Aber … wenn wir jetzt anstoßen, können wir das doch gleich nicht mehr mit den Nebels«, sagte Martha nervös.



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