Spiel der Zeit: Roman (German Edition) by Ulla Hahn

Spiel der Zeit: Roman (German Edition) by Ulla Hahn

Autor:Ulla Hahn [Hahn, Ulla]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: Deutsche Verlags-Anstalt
veröffentlicht: 2014-09-28T22:00:00+00:00


Einen Blumenstrauß hatten wir verworfen. Du gehörst zur Familie, da brauchst du keine Blumen. Und überhaupt. Du hast ja meine Mutter schon kennengelernt.

Ich hatte getan, was ich konnte. Mir von Yvonne eine silberfarbene Handtasche und dazu passende Ohrringe geliehen, die Haare hochgesteckt. Trug Gretels rosa Jäckchenkleid mit der lila Paspel und kam mir sehr seriös vor und erwachsen.

Hugo machte große Augen, als er mich abholte. Donnerwetter, kommentierte er.

Donnerwetter plus oder minus?

Plusplus, nickte er anerkennend. Ich glaube, wir besorgen doch noch ein paar Blumen. Liegt auf dem Weg. In Marienburg, hatte Hugo gesagt, wohnten die Eltern, doch dann nahm er die Straße nach Braunsfeld, machte halt an einem verwilderten Acker, kornblumenblau gesäumt.

Ist das eine gute Idee?, fragte ich, als Hugo anhielt und die Blumen zu pflücken begann. Ich denke, deine Eltern machen sich nichts aus dieser Teufelssaat.

Die nicht, sagte Hugo. Komm, hilf mir. Wirst schon sehen.

Ein paar Haferstengel fanden wir auch noch, Gold muss dabei sein, weißt du ja, dann fuhren wir weiter, Aachener Straße, zum Friedhof Melaten.

Sagte ich doch, meinen Erziehern stelle ich dich vor, sagte Hugo. Dem mit den Kornblumen zuerst. Bevor ich meine Raupe kennenlernte, war das die schönste Zeit meines Lebens.

Hugo ergriff meine Hand mit dem Strauß. Die sind für ihn. Und noch etwas anderes. Wirst du gleich sehen.

Von Anfang an, erklärte Hugo, sei der Friedhof auch als Grünanlage geplant worden, als die Franzosen unter Napoleon alle Friedhöfe innerhalb Kölns hatten schließen lassen. ›Transi Non Sine Votis Mox Noster‹ – ›Geh nicht vorbei ohne Gebete, Du, bald der Unsere‹, empfing uns die steinerne Inschrift am Haupteingang. Hugo kannte sich aus in dieser verwirrenden Totenlandschaft, zielsicher ging es durch das von Platanen gesäumte Wegenetz, vorbei an Rosenbüschen, Wacholder, Birken und Ahorn, vom Sommer gebeutelt, Sonnentaschen wechselten mit dunklen Laubgruben, Licht stürzte durchs Geäst, Amseln schmetterten gegen die Stille an, so viel Trost und Hoffnung auf Leben, ›Ave In Beatius Aevum Seposta Seges‹ – ›Gegrüßt seist du, auf eine glückliche Zukunft angelegte Saat‹, auch das hatte überm Eingangstor gestanden.

Das Familiengrab der Breidenbachs erinnerte an das der von Kilgensteins in Dondorf. Neben der weit ausladenden Trauerweide erwuchs ein steinerner Mann mit Hirtenstab, der per Girlande versicherte: ›Ich bin die Auferstehung und das Leben.‹ Zwischen Efeu und Wacholder Grablichter und Steine, darin eingemeißelt die Namen der Toten, alle mit Titeln, Orden und anderen, meist kirchlichen Auszeichnungen, sogar die Frauen hatten teil an den oft märchenhaft klingenden Dekorationen, für sie gab es den Bene-Merenti-Orden. Petrus sollte gleich wissen, mit wem er’s zu tun bekam, da oben an der Himmelstür. 1768 war der älteste der hier Bestatteten geboren. Hugo Karl Anton, der Großvater, vor zwanzig Jahren gestorben; auch er ein Ritter vom Ordine Piano, dem Piusorden.

Ja, der Oppa. Hugo verharrte ein paar Sekunden mit gefalteten Händen. Wir stellten die Kornblumen in die Vase, ins Wasser, so wie sich’s gehört, über seinen Stein.

Was sagst du? Oppa? In deiner Familie doch eher ein Ohpa.

In der Familie schon, aber nicht für mich. Ich bin viel bei den Kindern unseres Chauffeurs gewesen, die hatten alle einen Oppa. Da wollte ich auch einen haben.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.