Siebeneisen - 02 - Freitags in der Faulen Kobra by Stefan Nink

Siebeneisen - 02 - Freitags in der Faulen Kobra by Stefan Nink

Autor:Stefan Nink [Nink, Stefan]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Limes
veröffentlicht: 2014-01-23T23:00:00+00:00


24

In dem bekannten Weingut bei Stellenbosch in Südafrika, am nächsten Morgen.

Wer je die fabelhafte Autobiografie gelesen hat, die der Countrysänger Johnny Cash über sein Leben verfasste, der wird sich auch Jahre später noch an etliche Passagen aus dieser Lebensbeichte erinnern. The Man in Black war ein begnadeter Erzähler, der sehr genau wusste, an welcher Stelle er Pointen setzen musste. Besonders gut gelang ihm das immer dann, wenn es um sein eher unkonventionelles Verhältnis zu Betäubungsmittelgesetzen und der Vogelwelt ging. So erfährt man auf etlichen hundert Seiten unter anderem, dass Cash einst ein Wohnmobil kaufte, um in der Abgeschiedenheit der Wüste große Mengen Amphetamine zu konsumieren. Leider hatte das Fahrzeug eine defekte Ölleitung und setzte bereits bei einem seiner ersten Ausflüge versehentlich ein Naturschutzgebiet in Brand. Bei dem Feuer kamen dann auch noch die neun unter Naturschutz stehenden Kondore des Parks ums Leben, was Cash der Polizei gegenüber mit einem schnoddrigen »Ich gebe einen Scheißdreck auf eure gelben Bussarde« kommentierte.

Auf den folgenden Seiten liest man außerdem, wie der Sänger auf einer Tournee in den späten Fünfzigern nach offenbar heftigem Drogenkonsum 500 lebende Hühner kaufte, um sie anschließend sehr gleichmäßig in den fünf Stockwerken seines Hotels auszusetzen. Und man erfährt, wie er sich eines Wintertages in seinem Garten lebensgefährlich verletzte, als er Waldo in einen warmen Schuppen bugsieren wollte. Dummerweise war Waldo an jenem Tag schlecht gelaunt. Das Tier habe gezischt, erinnerte sich der Countrysänger in seiner Autobiografie, deshalb habe er einen Stock mitgenommen, um sich im Notfall verteidigen zu können. Als Waldo aber angestürmt kam und er ihn abwehren wollte, da habe er nur ein Luftloch geschlagen, weil Waldo bereits abgesprungen war. Eine Viertelsekunde später krachte er mit seinen einhundert Kilo Lebendgewicht von oben auf seinen Besitzer. Was die fünf gebrochenen Rippen erklärte. Und die lange Risswunde, die Waldos rechter Fuß beim Zusammenstoß mit der Bauchdecke verursachte. Waldo war ein Strauß. Beziehungsweise, wie man gerne sagt: ein Vogel Strauß.

»Und wusstest du, dass er später einen Song mit dem Titel ›Chicken in Black‹ aufgenommen hat? Darin singt er, wie sein Hirn in ein Huhn transplantiert wurde, das jetzt in New York City herumläuft und ›Ghostriders in the Sky‹ singt. Das mit Waldo muss ihn lange verfolgt haben.«

Lawn, die sich als großer Johnny-Cash-Fan geoutet und in den letzten Minuten über nichts anderes geredet hatte, tupfte mit einem Wattebausch in Siebeneisens Gesicht herum. Es brannte höllisch.

»Wie sehe ich denn aus? Schlimm?« Er hatte das Gefühl, jemand habe ihn mit Schmirgelpapier abgerubbelt.

»Könnte schlimmer sein.« Lawn kramte in ihrer Handtasche und fand einen kleinen Schminkspiegel. »Zumindest fällt deine Nase jetzt nicht mehr so sehr auf.« Sie ließ Siebeneisen in den Spiegel blicken. Kurz. Dann packte sie ihn wieder ein. Siebeneisen murmelte etwas, das er selbst als »gütiger Gott« dechiffrierte.

Als er vor ein paar Minuten wach geworden war, hatte er im ersten Moment nicht gewusst, wo er sich befand. Draußen war es hell, warum auch immer, und vor dem Bett, in dem er lag, saß Lawn auf einem Stuhl unter dem Schwarz-Weiß-Foto mit fußballspielenden Männern im Packeis. Er hatte das Brennen in seinem Gesicht bemerkt und den Schmerz im Rücken.



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