Schluckspecht: Roman (German Edition) by Peter Wawerzinek

Schluckspecht: Roman (German Edition) by Peter Wawerzinek

Autor:Peter Wawerzinek [Wawerzinek, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783462308037
Herausgeber: eBook by Kiepenheuer&Witsch
veröffentlicht: 2015-01-21T05:00:00+00:00


Saufkumpel Floh

Nach dem ersten Glas siehst du die Dinge so,

wie du sie gern hättest.

Nach dem zweiten Glas siehst du die Dinge so,

wie sie nicht sind.

Und zum Schluss siehst du die Dinge so,

wie sie wirklich sind.

Oscar Wilde

Egészségedre Palinka, ich will die Kneipe nicht verteufeln, wie es Tante Luci stets getan hat. Ich verbringe einen Großteil meines Lebens in Kneipen, lerne wirklich wunderbare Leute kennen, die mir daheim niemals über den Weg gelaufen wären. Doch in der Kneipe freundet man sich nicht an. Man trifft sich. Freundschaften existieren außerhalb der Kneipen. Freunde kehren hier nicht ein.

Einmal in der Woche an einem festgesetzten Tag. Was immer passiert, der Termin steht. Und dann begegnet mir überraschend einer, dessen Atem ich atme, dessen Sicht ich mit meinen Augen sehe, dessen Gedanken sich in meinem Kopf abspielen, dessen Worte in meinem Hals stecken, dessen Nähe ich genieße wie damals das heiße Getränk in den klammen Händen, nach einer winterlichen Tortur durch den Frost. Einer hat sich zu mir gesetzt, der nicht hierher gehört, mir ansieht, dass ich nicht Arbeiter bin, nicht wirklich hierher passe.

Doch, doch, erwidere ich, nenne den Betrieb, sage, was ich zu tun habe.

Kenne ich, sagt er.

Habe ich schon von gehört.

Muss scheußlich sein, dort zu schuften.

Sagt, dass er um die Ecke wohnt, seit Jahrzehnten. Nennt die Wohnung seinen sicheren Unterschlupf: Ich bin in Beziehung mit einer Frau, und die Sache läuft nicht, wie sie laufen soll. Dann ist es clever, dass du eine Bude hast, von der die Frauen nichts wissen. Die Adresse rücke er nicht heraus. Die wisse nur der Wirt und sonst niemand.

Seine Erfahrungen mit Frauen. Da hat er mehr durch als ich. Ausflüge, Honigmond, gemeinsame Anschaffungen. Das schöne, teure Eisenbett mit Messingbeschlägen. Der erste Rauswurf, die Suche nach der Geborgenheit. Du kommst zurück und das Schloss ist ausgewechselt. Du trommelst mit beiden Fäusten gegen die Tür, veranstaltest einen tierischen Krach, hinter der Tür geschieht nichts. Die Freundin, Frau, Geliebte ist bei ihrer Mutter. Dann renkt sich alles wieder ein. Man verbringt wieder angenehme Stunden auf dem Balkon, feiert Feste, schläft miteinander, alles ist gut. Und es folgen diese ewigen Dialoge, im Laufrad, in dem du der Hamster bist. Nennen wir es Eifersucht, Treue, Vertrauen, Achtung. Frauen. Plötzlich kommen sie auf Ideen. Eben noch alles supergut und plötzlich passt ihnen dein Gesicht nicht, die Art, wie du dich benimmst. Oder sie meinen, dass du schnarchst, nicht gut riechst, zu betrunken bist.

Wollen, dass du gehst, sie in Ruhe lässt.

Seien es die Kinder, Eltern, Nachbarn, Floh hat mehr durch als ich. Aber darauf kommt es nicht an. In seinen Berichten wird geschrien, geboxt, geheult, mit Tellern geworfen. Es werden Drohungen ausgesprochen, Selbstmordabsichten, Trennungsabsichten geäußert. Versöhnung, Streit, Versöhnung. Die ewige Leier. Und dann wird die Vertrauensfrage gestellt. Und es ist schließlich klar: Alles wäre wunderbar, wenn man nicht so ein Trinker wäre und mit den Kumpels zusammen, statt da, wo man gebraucht wird. Und dann gibt der Vernünftige nach, zieht aus, kommt bei einem der Kumpels unter, dem es mit seiner Beziehung nicht viel besser geht.



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