Samenklau by Corinna T. Sievers

Samenklau by Corinna T. Sievers

Autor:Corinna T. Sievers
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783627021665
Herausgeber: Frankfurter Verlagsanstalt
veröffentlicht: 2010-11-15T00:00:00+00:00


Mittags verzichtete Phoebe auf die Pause und hütete den Schreibtisch. Kontrollierte die Abrechnung, schrieb zwei Behandlungspläne und schickte den Lehrling nach einem Sandwich. Dr. Metzler würde hochzufrieden sein.

Nachmittags standen fünfundvierzig Kinder auf dem Programm. Phoebe arbeitete ununterbrochen. Wechselte Drähte und kontrollierte Abdrücke. Trocknete Tränen und beschwichtigte Eltern. Anrufer wurden vertröstet.

Um kurz nach halb fünf kam Frau Fittkau. Stapfte mit zerzaustem Schopf ins Behandlungszimmer und zupfte Phoebe am Ärmel. 'Der nächste Patient ist neu. Spastiker. Sechzehn Jahre alt. Etwas nervöse Mutter.' Phoebe nickte und unterdrückte ein Stöhnen. Frau Fittkau fuhr fort: 'Der Junge kann den Rollstuhl nicht verlassen. Wir haben ihn die Treppe hinaufgetragen.'

Behinderte Patienten waren natürlich willkommen. Aber sie brauchten ihre Zeit. Phoebe war schon fünfunddreißig Minuten im Rückstand. Die Stimmung im Wartezimmer miserabel.

Junge samt Mutter rollten um zehn vor fünf in Phoebes Zimmer. Phoebe stellte sich vor und entschuldigte sich für die Wartezeit. 'Fünfzig Minuten sind ein bisschen heftig!' sagte die Mutter. Verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Phoebe zwang sich zur Ruhe: 'Sie haben vollkommen recht.' Sie wandte sich ihrem Patienten zu, dessen Spastik gravierend und dessen Denkvermögen ausgezeichnet war. Sie griff nach seiner rechten Hand, schüttelte sie sanft und lächelte: 'Hallo, Philipp. Ich nehme an, du bist schwer begeistert, dass du eine Zahnspange bekommen sollst.' Philipp grinste schief. Versuchte zu antworten und wurde von seiner Mutter unterbrochen: 'Irgendetwas stimmt nicht mit Philipps Schneidezähnen. Sagen Sie mir einfach, was zu tun ist.' Phoebe nickte und beugte sich herab: 'Kannst du den Mund öffnen, Philipp?' Der Junge versuchte sein Bestes. Sein Unterkiefer bebte. Phoebe sagte: 'Ich helfe dir, Philipp.' Benötigte beide Hände, um die verkrampften Kiefer zu lösen. Spähte in die Mundhöhle. Und beeilte sich, ihre Hände zurückzuziehen, bevor die Kiefer zuschnappten. Sie dankte ihm. Legte den Kopf schief und betrachtete ihn einen Moment zu lange. Er wurde verlegen.

Phoebe zwinkerte und sagte: 'Die Fehlstellung deiner Zähne ist vor allem funktionell bedingt. Deine Zunge liegt nicht dort, wo sie hingehört, am Gaumendach. Und daher ist dein Gaumen hoch und schmal, was wiederum zur Folge hat, dass deine Zähne schief sind.'

Die Mutter wippte ungeduldig. Das hundertjährige Parkett stöhnte unter ihrem Gewicht. Phoebe fuhr fort: 'Wir können deinen Kiefer umformen. Aber was geschieht danach, wenn deine Zunge weiterhin die falsche Lage einnimmt?' Philipp versuchte zu antworten. Phoebe meinte, einzelne Worte zu verstehen. Nickte und sagte: 'Richtig. Es gibt einen Rückfall.' Sie wandte sich an die Mutter. 'Hat Philipp Schwierigkeiten mit seiner Zahnstellung?' – 'Nein', schnappte die, 'aber ich finde sie nicht eben vorteilhaft.' Philipp rollte mit den Augen. Was ihm gut gelang. Und brachte ein dumpfes: 'Mama!' zustande. Phoebe sah Philipp an: 'Ich kann deine Zähne begradigen. Allerdings nur mittels einer festen Spange. Für Montage und Entfernen bräuchtest du eine Narkose. Dazwischen lägen eineinhalb Jahre, während derer dir deine Mutter die Zähne putzen müsste. Dreimal täglich. Gründlichst.' Philipp versuchte ein Kopfschütteln. Phoebe verstand und lächelte. Wurde wieder ernst und wandte sich an die Mutter: 'Bitte besprechen Sie das mit Philipp. Finden Sie heraus, wie groß sein Leidensdruck ist.



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