Roter Lavendel (German Edition) by Ralf Nestmeyer

Roter Lavendel (German Edition) by Ralf Nestmeyer

Autor:Ralf Nestmeyer [Nestmeyer, Ralf]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863587956
Herausgeber: Emons Verlag
veröffentlicht: 2015-03-18T00:00:00+00:00


ZEHN

»Übrigens – ich bin erfolgreich gewesen!«

Merklich gut gelaunt begann Fabienne von ihren Telefonaten zu erzählen, als wir auf eine Landstraße einbogen. Wir hatten uns vor der Arena verabredet, um wieder gemeinsam zurück nach Aix-en-Provence zu fahren. Während ich in Anbetracht der ausgeleierten Stoßdämpfer damit beschäftigt war, das Auto abzubremsen, um behutsam über eine der Straßenschwellen zu gleiten, die an den Ortsrändern mit sanftem Druck die Geschwindigkeitsbegrenzung regeln, berichtete Fabienne, dass es ihr gelungen sei, Pierre Peltier zu erreichen. Das Gespräch sei schwierig gewesen, denn Monsieur Peltier sei schwerhörig, und sie habe ihn am Telefon nicht mit Detailfragen konfrontieren wollen, da sie sich nicht sicher war, ob er unser Anliegen verstehen würde. Trotzdem sei er sehr zuvorkommend gewesen und habe uns eingeladen, doch einfach auf ein Glas Wein vorbeizuschauen. Etwas problematischer sei die Kontaktaufnahme im Fall von Henri Veyrat gewesen. Erst nach diversen Umwegen und mehreren Anrufen hatte sie die Schwiegertochter am Apparat und von ihr erfahren, dass er seit einer Woche mit einem Oberschenkelhalsbruch im Krankenhaus von Apt liege, sich aber sicherlich über einen Besuch und die damit verbundene Abwechslung freuen würde. Ich fand anerkennende Worte für ihren detektivischen Eifer, und wir kamen überein, in den nächsten Tagen einen Ausflug nach Apt zu unternehmen.

Carlas Renault besaß keine Klimaanlage, und der Fahrtwind, der durch die geöffneten Seitenfenster hereinwirbelte, sorgte mehr für Lärm als für Abkühlung. Bei geschlossenen Fenstern wären die Temperaturen allerdings unerträglich gewesen, und so nahmen wir den flackernden Luftzug in Kauf. Die Reifen surrten über den Asphalt, wir sprachen über Alter, Gebrechlichkeit und den Sinn des Lebens, dann begann Fabienne unvermittelt von ihrem Vater zu erzählen. Ich drosselte das Tempo, um ihr besser zuhören zu können. Mir gefiel das dunkle Timbre ihrer Stimme.

Seit dem Tod ihrer Mutter fühlte sie sich zunehmend für ihren Vater verantwortlich. Fabienne war ein Einzelkind – wie ich. Nachdem er vor zwei Jahren in Pension gegangen war – er hatte lange Zeit als Ingenieur bei der Staatlichen Elektrizitätsgesellschaft gearbeitet –, war ihre Beziehung intensiver geworden. In losen Abständen verbrachten sie das Wochenende zusammen, oder er kam abends nach Aix, um mit ihr in ein Restaurant zu gehen – mühelose, lieb gewonnene Rituale. Da es ihm schwergefallen war, sich mit seinem Rentnerdasein anzufreunden, hatte Fabienne ihm den Posten in Les Milles vermittelt. Anfangs hatte er auf den Vorschlag ablehnend reagiert, erst als sie insistierte, offenbarte er nach und nach, dass sein Onkel als Aufseher im Lager gearbeitet hatte. Fabiennes Verblüffung war groß: Sie hatte zwar gewusst, dass ihr Großonkel bei der Gendarmerie gewesen war, aber erst jetzt erfuhr sie, dass er zum Wachdienst in Les Milles eingeteilt worden war.

Fabienne beendete ihren Bericht, als wir die ersten modernen Vororte erreichten – urbane Wucherungen, deren Monotonie sich in ganz Europa ähnelt und von denen auch das stolze Aix nicht verschont geblieben ist. Es war früher Nachmittag. Der Asphalt flirrte; die Stadt brütete unter einer milchigen Hitzeglocke. Die Montagne Sainte-Victoire, Cézannes heiliger Berg, lag im Dunst, kaum mehr als ein dunkler Schatten. Die Straßen waren kaum befahren, so dass wir zügig ins Zentrum gelangten.



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