R.E.M. by Michael Marshall Smith

R.E.M. by Michael Marshall Smith

Autor:Michael Marshall Smith [Smith, Michael Marshall]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rowohlt
veröffentlicht: 2021-09-10T16:00:00+00:00


*

Ich blinzelte, merkte, daß ich Decks Pistole bereits gezückt hatte, und richtete sie auf den Mann. Nicht, daß ich mich dadurch wohler fühlte, oder er sich aus der Fassung bringen ließ. Dennoch zielte ich weiter auf ihn.

Der Mann hielt ein kleines elektronisches Notizbuch hoch.

»Suchen Sie das hier?«

»Keine Ahnung«, antwortete ich barsch. »Was ist das? Und wer sind Sie überhaupt?«

Dann erkannte ich ihn wieder. Es war der Typ aus dem Diner gegenüber von Lauras Hotel, der am anderen Ende des Raumes gesessen und offenbar unter den Nachwirkungen von starkem Alkoholkonsum gelitten hatte. Der Mann, der mich nach meinem Telefonat mit dem Typen in Lauras Wohnung angesprochen hatte: der mir ein bißchen fehl am Platz vorgekommen war, der dagesessen hatte, als warte er auf jemanden.

»Ich heiße«, sagte er und kniff für einen Moment die Augen zusammen, »Hap.«

»Nein«, sagte ich unbeeindruckt. »So heiße ich. Versuchen Sie’s noch mal.«

Der Mann runzelte die Stirn. »Sie haben natürlich vollkommen recht. Entschuldigung. Ich heiße Travis.«

»Hören Sie auf, mich zu verarschen«, riet ich ihm, »und sagen Sie mir endlich, wer Sie sind. Und machen Sie um Himmels willen das Licht aus.«

»Welches Licht?«

Der Lichtschalter befand sich, wie allgemein üblich, an der Wand hinter mir, neben der Tür. Von seinem Platz aus hatte der Mann ihn unmöglich erreichen können. Das Licht war von ungewöhnlicher Beschaffenheit, beinah greifbar: So könnte es aussehen, dachte ich, wenn man nachts in klarem Wasser schwimmt und von oben mit einem grellen Suchscheinwerfer angestrahlt wird. Es schien auch nicht bis in die hinteren Winkel des Zimmers zu reichen und die Gegenstände wie gewohnt hervortreten zu lassen, so als ob es eigentlich gar nichts mit Sichtbarkeit zu tun hatte.

Ohne den Lauf der Pistole auch nur einen Zentimeter zu bewegen, griff ich nach hinten und drückte auf den Lichtschalter. Die Deckenlampe ging an, und das Zimmer wirkte plötzlich normaler, voller Ecken und ein bißchen staubig. Jedoch nicht heller.

Der Mann zwinkerte mir zu. »Und die Tore sollen niemals tagsüber verschlossen werden«, sagte er, »denn es soll dort niemals Nacht sein.«

»Ich verliere langsam die Geduld«, sagte ich.

Der Mann rollte mit den Augen, griff in seine Jackentasche und holte einen kleinen taschenlampenähnlichen Apparat heraus. »Eine Ambient-Projektionslampe«, sagte er. »Die bekommt man in jedem Elektroladen.«

»Toll. Danke für den Tip. Und jetzt zum letztenmal: Was haben Sie hier zu suchen?«

»Ich habe auf Sie gewartet«, sagte er, während er aufstand.

»Sie kommen später als erwartet, und ich muß los. Ich habe noch einiges zu erledigen. Wie auch immer – hier ist es.« Er legte das Notizbuch auf den Stuhl, dann zwinkerte er mir erneut zu. »Sie hätten es nie gefunden. Es war mit Klebeband unter einer Ecke der Tischplatte befestigt.«

»Da hätte ich zuallererst nachgeguckt«, erwiderte ich patzig.

»Egal, wonach ich suchen würde.«

Der Mann lächelte und ging auf mich zu. Als er einen knappen Meter von mir entfernt war und der Lauf meiner Pistole schon fast seine Brust berührte, blieb er stehen und wartete geduldig ab. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Den Typen zu erschießen, fand ich übertrieben, aber ich war mir nicht sicher, ob ich ihn laufenlassen sollte oder nicht.



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