Putins Macht by Hubert Seipel

Putins Macht by Hubert Seipel

Autor:Hubert Seipel [Seipel, Hubert]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455002874
Herausgeber: HOFFMANN UND CAMPE VERLAG GmbH


Ein Trauma als politische Strategie

Als er erfahren hatte, dass Polens Präsident bei Smolensk in Westrussland mit seinem Regierungsflugzeug verunglückt war, sagt Jarosław Kaczyński einen Satz, der seither sein Handeln bestimmt: »Sie haben mir den Bruder umgebracht.« Er wird nicht mit dem Ministerpräsidenten Tusk zur Absturzstelle fliegen, sondern allein reisen.

Kaczyński behandelt Donald Tusk und Wladimir Putin wie Verdächtige. Als er spätabends am Unglückstag in Smolensk ankommt, weigert er sich, sie zu treffen. »Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass ich sie für unschuldig halte«, erklärt er später. »Ich wollte kein Beileid von Leuten, die verantwortlich sind für das, was geschehen ist.« Bald spricht er von einer gezielten Gewalttat: »Die Ermordung von 96 Personen, unter ihnen die des Präsidenten, ist ein unerhörtes Verbrechen«, behauptet er zwei Jahre später und fügt hinzu: »Jeder, der durch Täuschung und Parteilichkeit damit zu tun hatte, soll die Folgen tragen.«

Die Behörden Russlands und Polens haben den Absturz des Regierungsflugzeugs minutiös untersucht. Auf polnischer Seite gab es gleich zwei Ermittlungen: eine der Untersuchungskommission für Flugunglücke (KBWLLP) sowie eine der Militärstaatsanwaltschaft. Die Ergebnisse stimmen überein: Kaczyńskis Flugzeug ist an einer Birke hängen geblieben und im Wald zerschellt, weil die Piloten vorschriftswidrig zu landen versuchten, obwohl über Smolensk dichter Nebel lag und der Flughafen Sewernij für die schlechten Sichtverhältnisse nicht ausgerüstet war. Die Militärstaatsanwaltschaft hat im Oktober 2015 bekräftigt, dass »falsches Verhalten« der Besatzung Ursache für die Katastrophe gewesen sei. Außerdem treffe eine Teilschuld die Vorgesetzten, weil Kapitän und Navigator nicht vorschriftsmäßig ausgebildet worden seien. Die russischen Fluglotsen müssen sich allenfalls vorwerfen lassen, dass sie den Flughafen nicht gesperrt hatten.

Das Trauma von Jarosław Kaczyński, der bei der Katastrophe seinen Zwillingsbruder Lech verlor, bestimmt bis heute seine Politik. Als Unterwerfung und Sühne beschreibt die Frankfurter Allgemeine den Kreuzzug des Jarosław Kaczyński.

Im Wahlkampf 2015 veröffentlicht die »Arbeitsgruppe« der Partei »Recht und Gerechtigkeit«, deren Vorsitzender Jarosław Kaczyński ist, in einem 56 Seiten langen Abschlussbericht ihre Gegenrealität: »Es kann keinen Zweifel daran geben, dass die heutige Expansion Russlands in den Westen nicht möglich gewesen wäre, wenn Präsident Kaczyński noch am Leben wäre«, heißt es da. »Das war für rational denkende Polen von Anfang an klar.« Und die Beweise seien eindeutig: »Niemand hat vom Tod des Präsidenten so sehr profitiert wie die Machthaber der Russischen Föderation.« Lech Kaczyńskis Flugzeug ist nicht einfach an einer Birke hängen geblieben. Vielmehr sei es an Bord zu einer »Serie von Explosionen« gekommen. Das Wrack trage »Spuren von Sprengstoff«. »Hauptstrategen und Vollstrecker« dieses Verbrechens seien: »die Herrscher der Russischen Föderation«.[143]

Über 1700 geladene Gäste, darunter der Präsident, die Premierministerin sowie fast alle Minister, kommen im September 2016 in die Warschauer Oper, um Smolensk zu sehen – einen Kinofilm über den Flugzeugabsturz. Der Streifen beginnt mit einer Szene, in der polnische Offiziere auf dem Flughafen von Smolensk auf die Ankunft der Präsidentenmaschine warten und zwei Explosionen hören – die Bomben, mit denen die Russen das Flugzeug angeblich zum Absturz brachten. »Bomben und Explosionen sind frei erfunden, ebenso die Zeugen dafür«, schreibt die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift »Verordnete Verschwörung«. Auch der restliche Film folgt der Verschwörungstheorie der Regierungspartei.



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