Mein Deutschland – dein Deutschland by Buhrow Tom; Stamer Sabine

Mein Deutschland – dein Deutschland by Buhrow Tom; Stamer Sabine

Autor:Buhrow, Tom; Stamer, Sabine
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: rowohlt


|142|Traumjob oder einfach putzen?

Erfahrungen einer Arbeitsuchenden

Wir möchten einmal ausprobieren, was eigentlich passiert, wenn man sich in der Absicht zu arbeiten an die Arbeitsagentur wendet. Sabine lernt Fema N. kennen. Sie kommt aus Ghana, ist seit über zehn Jahren in Deutschland, nur geduldet, aber mit Arbeitserlaubnis. Sie lebt von Sozialhilfe. Als Analphabetin ist sie nach Deutschland gekommen, nie länger zur Schule gegangen. Der Deutschkurs, der ihr bewilligt wurde, fiel ihr nicht leicht. Sie hat einen neunjährigen Sohn, der fließend Deutsch spricht, hier zur Schule geht und dieses Land als seine Heimat sieht.

Fema ist entschlossen, Fuß zu fassen. Ihre Vermittlung stellt zugegebenermaßen eine größere Herausforderung dar: Ihre Deutschkenntnisse sind sehr mangelhaft, sie hat keinerlei Schul- oder Berufsbildung, und sie hat ein Kind. Aber sie will auf eigenen Füßen stehen; sie will arbeiten! Sabine begleitet sie eine Zeitlang bei ihrer Suche. Fema ist eine besonders schwierige, aber keine untypische «Kundin» der Arbeitsagentur. An den Stellenausschreibungen am großen Schwarzen Brett im Eingang des Jobcenters geht sie vorbei. Die sieht sie gar nicht. Sie muss keine Nummer ziehen und nicht warten. «Sie sind schon dran!», sagt eine nette junge Dame und händigt ihr ein Formular zum Ausfüllen aus. Fragend blickt Fema auf das Blatt Papier. Sie scheitert schon bei den einfachsten Fragen nach Vornamen und Geburtsort. Und was bitte ist ein «Familienstand»?

Bevor das alles geklärt werden kann, wird sie von Herrn M. aufgerufen. Er fragt nach Papieren, nach Sozialversicherungsausweis, Wohnungsbestätigung usw. und macht darauf aufmerksam, |143|dass es eventuell noch Unterstützung gibt. Aber Fema ist gar nicht hier, um staatliche Gelder zu beantragen. Sie möchte eine Stelle, um ein paar Stunden am Tag zu putzen. Sie hatte gehofft, die Agentur mit einigen Adressen von Firmen, die es gerne etwas sauberer hätten, zu verlassen.

Aber so schnell schießen die Preußen nicht. Fema erhält eine «Kundennummer» und ein weiteres Formular. Herr M. klärt sie auf, die Agentur sei wie ein Arbeitgeber zu behandeln. Wer nicht kommen könne, müsse sich unbedingt entschuldigen. Außerdem müsse sie sich nun melden, wenn sie die Stadt verlasse. Dafür wird ihr die Agentur die Rentenausfallzeiten pro Tag bescheinigen. Fema weiß gar nicht, was das ist, Rentenausfallzeit, und sie hat auch keinen Anspruch auf Rente. Egal. In drei Wochen soll sie zu einem Beratungstermin wiederkommen. Dann werde ihr Frau Z. zur Verfügung stehen. Fema versteht gar nichts. Sie möchte doch nur eine Putzstelle!

Der Beratungstermin muss verlegt werden. Sabine will das erledigen. Sie ruft eine 0180-Servicenummer an. Die Sachbearbeiterin findet weder den Namen noch den Termin. Sie braucht Kundennummer und Geburtsdatum.

«Ist die Dame bei Ihnen mit im Raum?», fragt sie dann.

«Leider nicht.»

«Dann kann ich Ihnen nicht weiterhelfen», erklärt sie, «aus Datenschutzgründen».

«Aber ich möchte doch nur einen Termin für Frau N. verlegen!»

Nichts zu machen.

Erneuter Versuch am nächsten Tag. Eine andere Sachbearbeiterin. Sie sieht, dass Sabines Anwesenheit beim ersten Besuch protokolliert wurde, und ist deshalb bereit, mit ihr zu sprechen.

«Aber das ist ein Termin mit Rechtsfolgen, den kann ich nicht einfach löschen.»

«Rechtsfolgen?»

|144|«Der persönliche Sachbearbeiter, Herr W., muss sich mit Ihnen in Verbindung setzen.»

Bisher bestand nur Kontakt zu Herrn M. Der nächste Termin sollte mit Frau Z.



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