Lilienblut by Elisabeth Herrmann

Lilienblut by Elisabeth Herrmann

Autor:Elisabeth Herrmann
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2010-04-13T22:00:00+00:00


Doch schon ein paar Tage später, als der Raureif das Gras mit seinem glitzernden Zuckerguss überzog, waren diese Gedanken vergessen. Wanda rief an, und was sie erzählte, klang zumindest in einem Punkt beruhigend: Man hatte Sabrina ernst genommen.

»Gestern war die Polizei hier«, sagte sie. »Sie haben nach Berti gefragt und waren sogar in der ›Sonne‹. Dann sind sie auch in die Wohnung gegangen. Der Hausmeister hat aufgemacht.«

»Haben sie etwas rausgekriegt?«

Wanda seufzte. »Nein. Leider nicht.«

Und dabei blieb es. Berti war wie vom Erdboden verschluckt. Die Kälte kam, und die Schritte auf der Straße klangen, als würde man über knirschendes Glas gehen. Franziska holte die Weihnachtskiste aus dem Keller und verwandelte die Küche in ein heilloses Chaos, um letzten Endes steinharte Kekse zu produzieren. Ab und zu schaute Lukas vorbei. Ende November ging Sabrina mit ihm zum Friedhof. Auf Amelies Grab legte sie einen Strauß wunderschöne, schneeweiße Lilienblüten ab. Der Atem stand in dunstigen Wolken vor ihren Gesichtern, und Sabrina fror, weil sie viel zu dünne Schuhe anhatte. Ein schlichtes Holzkreuz steckte in der Erde. Es würde erst im Lauf des nächsten Jahres durch einen Grabstein ersetzt werden.

»So viele Rätsel«, murmelte sie.

Lukas legte wieder seinen Arm um ihre Schulter. »Du wirst sie nicht lösen können. Lass die Polizei das machen. Die haben doch ganz andere Möglichkeiten.«

»Wenn Berti auch etwas passiert ist, dann heißt das …«

Er schnitt ihr einfach das Wort ab, indem er sie küsste. Ganz zart und liebevoll, und plötzlich spürte Sabrina ein warmes kleines Feuer in sich, genau dort, wo vor einigen Wochen noch dieses böse kleine Tier mit den spitzen Krallen in ihr rumort hatte. Er zog sie näher an sich, und sie erwiderte seinen Kuss. Nicht leidenschaftlich, das wäre auf dem Friedhof auch nicht gerade passend gewesen. Aber ziemlich einverstanden mit dem, was er gerade tat.

Er ließ sie los, nahm eine Kerze und zündete sie an. Die Flamme war ganz klein in der Kälte.

»Sie hat nichts dagegen«, sagte er. »Du musst kein schlechtes Gewissen haben. Daran hast du doch gerade gedacht, oder?«

Er stellte die Kerze neben das Kreuz, dann machten sie sich wieder auf den Weg zum Ausgang. Ihre Schritte knirschten auf dem Kies, als sie nebeneinander hergingen. Gemeinsam erreichten sie den Ausgang. Gerade sprangen die Straßenlaternen an. Sabrina drehte sich noch einmal um und betrachtete den Friedhof mit den vielen flackernden Lichtern. Es war bitterkalt. Fröstelnd vergrub sie ihre Hände in den Jackentaschen.

»Komm schon.«

Er lief voraus zum Wagen. Sabrina riss sich von dem Anblick los und folgte ihm. Nein, Amelie hatte nichts dagegen, dass sie Lukas küsste. Sie hatte an etwas ganz anderes gedacht in diesem Moment. Etwas, das sie noch nicht einmal Lukas sagen konnte.

Kilian hatte nichts mit Amelies Tod zu tun. Ebenso wenig wie mit Bertis Verschwinden. Es war einer von hier. Aus dieser Gegend. Und mit einem Mal hatte Sabrina das Gefühl, als würde sie jemand beobachten. Sie griff nach Lukas’ Hand und war froh, an seiner Seite zu sein. Er hatte Recht. Sie musste Geduld haben und abwarten, was die Polizei herausfinden würde.

Sie warf einen allerletzten Blick zurück.



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