Lieblosigkeit macht krank by Gerald Hüther

Lieblosigkeit macht krank by Gerald Hüther

Autor:Gerald Hüther
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Herder
veröffentlicht: 2020-12-22T00:00:00+00:00


Wir könnten lernen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen

Diese Fahrstuhlfahrt hinab in die schon bei den Krokodilen im Hirn vorhandenen Notfallprogramme wird sofort angehalten, wenn es der betreffenden Person gelingt, ihr angesichts der Bedrohung verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Wir Menschen verfügen über drei Vertrauensressourcen, die uns in schwierigen Situationen helfen, wieder einen kühlen Kopf zu bekommen, also den mit einer um sich greifenden Inkohärenz verbundenen enormen Energieverbrauch im Gehirn wieder zu verringern. Bildlich vorstellen kann man sie sich als einen dreibeinigen Hocker. Wenn da ein Bein fehlt, fällt er zusammen mit dem, der darauf sitzt, sehr leicht um. Das erste Bein ist das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen. Wem es angesichts einer Bedrohung einfällt, dass er ja schon ähnliche Situationen ganz gut meistern konnte, macht dann das, was ihm auch damals schon geholfen hatte, und wenn es so funktioniert, verschwindet die Angst.

Damit jemand aber ein möglichst breites Spektrum an eigenen Kompetenzen zur Angstbewältigung herausbilden kann, muss die betreffende Person schon während ihrer Kindheit, aber auch später im Leben möglichst viele unterschiedliche Probleme selbst gelöst und Gefahren durch geeignete Verhaltensweisen überstanden haben. Jemand, dem schon als Kind alle Probleme und Schwierigkeiten von Eltern und anderen wohlmeinenden Unterstützern aus dem Weg geräumt werden, kann das freilich nicht lernen. Wenn wir unsere Liebsten also vor den angsteinflößenden Botschaften irgendwelcher Rattenfänger schützen wollen, sollten wir dafür sorgen, dass sie immer wieder mit neuen, durchaus auch bedrohlichen Situationen konfrontiert werden. Allerdings nur mit solchen, die sie aus eigener Kraft und gegebenenfalls mit ein wenig Unterstützung durch uns zu bewältigen imstande sind. Nicht in der Theorie, sondern nur durch selbst gemachte praktische Erfahrungen können sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene das Wissen und die Kompetenzen aneignen, die sie brauchen, um in bedrohlichen Situationen zu wissen, was zu tun ist. Das Vertrauen in die eigenen, im bisherigen Leben bereits erworbenen Fähigkeiten zur Bewältigung von Schwierigkeiten zerbricht aber sofort und meist auch sehr nachhaltig, wenn sich die betreffende Person mit Problemen konfrontiert sieht, die so bedrohlich werden, dass sie nicht die geringste Chance hat, selbst etwas zu tun, um dieser Gefahr zu entkommen. Kindern geht das so, wenn sie erleben müssen, dass ihre eigenen Eltern völlig verzweifelt und ohnmächtig reagieren, weil sie vor etwas Angst haben, das sie weder kontrollieren noch abstellen können. Und wie viele Kinder müssen hilflos zuschauen, wie ihre Eltern ständig miteinander streiten, einander verletzen und irgendwann so ratlos sind, dass sie voreinander davonlaufen und sich trennen?

Wenn es noch nicht einmal ihre Eltern schaffen, verlieren diese Kinder das Vertrauen, dass sie jemals selbst in der Lage sind, Lösungen für ein Zusammenleben mit anderen ohne Angst zu finden. Damit Heranwachsende stark werden, brauchen sie keine Maulhelden, Helikoptereltern oder Warmduscher, sondern starke und liebevolle Begleiter.

Manche Bedrohungen können aber so massiv werden, dass sie aus eigener Kraft beim besten Willen nicht bewältigbar sind. Das schafft man dann nur gemeinsam mit anderen. Dazu muss man aber darauf vertrauen können, dass es im Umfeld Freunde und Verwandte gibt, die einem in solchen Fällen beistehen. Das wäre das zweite Bein an diesem Hocker. Und das



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