Land ohne Lilien - Geflohen: Band 2 (German Edition) by Lauren Destefano

Land ohne Lilien - Geflohen: Band 2 (German Edition) by Lauren Destefano

Autor:Lauren Destefano [DeStefano, Lauren]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-07-13T16:00:00+00:00


16

ES IST DUNKEL, als unser Bus den Bahnhof erreicht, der dreckiger ist als die vorherigen. Das Neonlicht dringt kaum durch die auf den Lampen klebenden Mottenflügel. Da ist der dumpfe, durchdringende Geruch nach Meer und Abgasen, und da ist das Dröhnen der Lieferwagen, die durch die Nacht rumpeln. Bei Tag ist mein Bruder zwischen ihnen herumgefahren. Ob er das wohl immer noch macht?

Andere Fahrzeuge gibt es natürlich auch. Aber an die möchte ich lieber nicht denken.

Ein schneller Blick auf die Karte an der Wand bestätigt, dass ich nicht sehr weit weg bin von zu Hause. Zu Hause. Die Worte geben mir so viel Hoffnung, dass ich es nicht fertigbringe, sie laut auszusprechen. »Wir können heute Abend noch ankommen«, sage ich nur.

Aber Gabriel ist dagegen. Unser Geld reicht für eine Nacht in dem Motel, das gegenüber vom Busbahnhof liegt, das Neon-M flackert, das L ist ganz ausgegangen. Nicht ideal, sagt er, aber sicherer, als nachts etwas zu riskieren. Mehr muss er nicht sagen. Ich weiß genau, wie gefährlich dieses Unternehmen wäre.

Ich schlafe nicht. Maddie macht sich unter dem Doppelbett eine Höhle und nimmt die Notfalltaschenlampe des Motels, damit sie ihr Buch lesen kann.

Ich setze mich aufs Fensterbrett und beobachte, wie der Lichtstrahl vom Leuchtturm über das Wasser wandert. Gabriels Atemzüge verraten mir, dass er nicht schläft, aber er sagt nichts, während er im Dunkeln liegt. Ich weiß, dass er erschöpft ist, dass er sich den ganzen Tag zusammengerissen hat, weil er mir helfen will, alles zusammenzuhalten.

»Komm lieber ins Bett«, flüstert er, nachdem etwa eine Stunde vergangen ist. Die Matratze knarrt, als er sich aufsetzt. »Oder bedrückt dich etwas?«

Vieles bedrückt mich. Mein Bruder. Die Frage, in welchem Zustand er sein wird. Dieses eklige Grauen, das nicht weggehen will. Die Welt, die am Hals meiner Mutter gehangen hat, und das Gefühl, dass durch ihren Tod diese Welt irgendwie an mich weitergegeben worden ist.

Keine Ahnung, wie ich diese Dinge so erklären soll, dass sie einen Sinn ergeben. Vielleicht kann man sie einfach nicht verstehen. Also lege ich mich, ohne etwas zu sagen, neben Gabriel ins Bett. Unter die Decke schlüpfen wir nicht, weil die Laken schmuddelig sind, wir decken uns mit unseren restlichen Kleidern zu.

Er nickt ein und seine Atmung wird gleichmäßiger. Eine Weile lausche ich ihm und mache mir jedes Mal Sorgen, wenn sein Atem stockt oder ein Arm oder Bein zuckt, aber seine Träume scheinen sich nicht zu Albträumen auszuwachsen. Ich liege auf der Seite und streichele eine Weile seinen Unterarm, dabei bemerke ich, dass seine Muskeln nicht mehr verkrampft sind.

Schließlich komme ich zur Ruhe und schließe die Augen – und als ich sie wieder aufmache, ist plötzlich Morgen. Gabriel lässt mich zuerst duschen, und als ich den Hahn aufdrehe, erzittern die Rohre und das Wasser tröpfelt gelb heraus. Nach fast einem Jahr als Braut von Linden Ashby ist die Realität hinter den Hologrammen und bunten Gärten trübe. Nur mein Ehering scheint noch zu glänzen.

Doch das hier ist mein Zuhause, und während ich mich abmühe, mir das Haar unter dem dünnen Rinnsal zu waschen, lächele ich.



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