Kursbuch Nr. 170: Krisen lieben (German Edition) by Nassehi Armin

Kursbuch Nr. 170: Krisen lieben (German Edition) by Nassehi Armin

Autor:Nassehi, Armin [Nassehi, Armin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Murmann Verlag (com)
veröffentlicht: 2012-02-13T23:00:00+00:00


Masken

Romuald Hazoumè, 1962 in Benin geboren, wurde mit masques bidons, Kanistermasken, international berühmt. In mehreren Facetten sind sie Schlüsselwerke zum Verständnis seines gesamten bisherigen Werkes. Sie stehen in gewisser Weise in der Tradition der Yoruba, des Volkes, auf das Hazoumè seine Vorfahren zurückführt, andererseits spiegeln sie Projektionen des Westens wider. Das Material, aus dem die Masken gemacht sind, ist westlicher Müll, »Sperr-Müll«.

Lokoum (Abbildung 1), ein Bleichgesicht mit roten Haaren und Schnauzer, ist ebenso ein »Kanister« wie Süsse, etwas bläulich, aber mit hübschem blondem Haar und einem roten Herzchen am Scheitelansatz (Abbildung 6). Dagmar Meyer (Abbildung 4), wie auch die anderen beiden »Masken« seit 2002 im Besitz des Freistaates Bayern, des Museums für Völkerkunde München, ist eine Schallplatte mit Brille und weißem und rotem Plastik. (Einem Gerücht zufolge soll das leibliche Vorbild Sekretärin in einem UNO-Büro gewesen sein.) Neben Kanistern oder Schallplatten verwendet Hazoumè zerbeulte Teekessel, Gießkannen und allerlei Plastik- und Metallteile für seine Masken. Schon das Material stellt einen Verweis auf die wechselseitigen Beziehungen zwischen Afrika und Europa, zwischen Deutschland und Benin dar. Es geht um Import und Export, den Austausch von Rohstoffen, Gebrauchtwaren – und von Kunst. Die Masken beinhalten Elemente beider Kulturen: die Maske als typisches Sammelobjekt »afrikanischer Kunst« und das abendländische Porträt.

Die Idee zu den Masken hatte der Künstler, als er zu Silvester 1988/89 von einem deutschen Freund zu einem Maskenball eingeladen war. Er erschien mit einer Maske, die er aus einem alten Kanister gefertigt hatte, bemalt und mit Kaurischnecken bedeckt – und die Deutschen dachten, es sei eine echte afrikanische Holzmaske. Dennoch sieht Hazoumè sich in der Tradition der Yoruba. Er selbst besitzt eine schöne Sammlung von Gelede-Masken. Diese Masken der Yoruba sind aus Holz, Leder oder Stoff; Hazoumè fertigt seine Masken dagegen aus gebrauchten Dingen. Denn das Anfertigen echter Masken ist keineswegs jedem erlaubt. »Der Tradition nach darf nicht jeder Masken anfertigen. Man muss dazu die Berechtigung haben. Nur wenn man in der Anfertigung von Masken initiiert ist […], hat man das Recht dazu.« Deshalb rankt Hazoumè auch allerlei – widersprüchliche – Erzählungen um seine Masken. Er habe nie Masken gemacht, nur etwas realisiert, in dem Leute mit vorgefertigtem Blick Masken sehen wollten. Oder: Freilich habe er schon als Kind Masken gemacht, aus Zuckerkartons.

Jedenfalls sind die masques bidons in den 1990er-Jahren zunächst vor allem in Europa rezipiert worden. Übt der Künstler damit Konsumkritik? Was ein brauchbares »Ding« und was »Müll« ist, wird in Deutschland ganz anders gesehen als in Hazoumès Heimatstadt Porto-Novo in Benin, wo er nach wie vor lebt und arbeitet. Einen nicht gereisten Beniner muss es bass erstaunen, was im Westen weggeworfen wird. Es sind die Geschichten vom materiellen Überfluss, die Afrikaner von Europa träumen lassen. Hazoumè schmerzt, dass in die sogenannten Entwicklungsländer der Abfall der Industrienationen abgeladen wird. Der Westen lebt ein hemmungsloses Konsumieren vor, Beniner möchten diesen Lebensstil kopieren, es fehlt an den materiellen Möglichkeiten, das genauso zu tun; sie lassen sich mit ausrangierten Dingen abspeisen; gleichzeitig negieren sie die eigene Kultur. Hazoumè macht aus diesen Dingen Kunst und sagt: »Wenn



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