Kunst und Leben, Mythen und Tod by Anselm Kiefer

Kunst und Leben, Mythen und Tod by Anselm Kiefer

Autor:Anselm Kiefer [Kiefer, Anselm; Döpfner, Mathias]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2015-01-15T00:00:00+00:00


DÖPFNER Aber wenn ein Architekt, ein Stadtplaner, sozusagen den Sockel einer Säule so groß macht, dass er den Menschen, der davor steht, schon überragt, um ihm die Unwichtigkeit, die Kleinheit seines Seins zu zeigen, dann kann das nicht gut sein. Das ist Protz und Potenzgehabe von Potentaten.

KIEFER Aber heute findet doch ein Mensch, der in Florenz oder in Rom ist, der findet doch die Architektur der Renaissance schön. Obwohl die damals repräsentativ und einschüchternd war.

DÖPFNER Ich bin nicht gegen das Repräsentative. Aber dann nicht Speer, sondern bitte lieber Renaissance.

BISSINGER Haben Sie eigentlich eine Heimat, und, wenn ja, welche Rolle spielt Heimat für Sie?

KIEFER Für mich ist Heimat alles, was ich in meiner Erinnerung habe. Ich trage sie mit mir herum.

DÖPFNER Die Antwort ist fast so schön ausweichend wie der berühmte Verfassungspatriotismus. Ich habe aber auch nichts Besseres anzubieten. Ich stehe ratlos vor diesem Begriff. Ich kann auch nicht sagen, Heimat ist die Scholle oder die Stadt oder die Landschaft. Das ist komplizierter. Vielleicht ist Kultur Heimat. Kunst.

KIEFER Natürlich gibt es eine Heimat. Das Wort im Übrigen gibt es in keinem anderen Land der Welt. Ich habe übrigens öfter Heimweh.

DÖPFNER Ich komischerweise auch.

BISSINGER Heimweh nach dem Odenwald, Herr Kiefer?

KIEFER Nein, nicht nach dem Odenwald. Als Heimweh bezeichne ich das, was ich erlebt habe, als ich ganz jung war. Das Lustige ist ja auch, wenn man an einen Ort kommt, an dem man als Kind oft war, und denkt, man findet da was. Man findet eine Emotion. Aber wenn man am wirklichen Ort ist, empfindet man, so geht es mir wenigstens, so gut wie nichts. Es ist alles zerstört, man hat in seinem Kopf eine ganz andere Vorstellung.

DÖPFNER Die Realität ist immer schlechter als die Erinnerung.

KIEFER Das entspricht dem, was ich gesagt habe: Heimat, das sind meine Erinnerungen, aber nicht das, was es tatsächlich gibt.

Für mich ist Heimat alles, was ich in meiner Erinnerung habe. Ich trage sie mit mir herum.

ANSELM KIEFER



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