Kinder des Meeres by Charlotte Lyne

Kinder des Meeres by Charlotte Lyne

Autor:Charlotte Lyne [LYNE, CHARLOTTE]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2014-09-30T04:00:00+00:00


19

Geraldine

WHITEHALL, 1533

Im Februar traf aus Rom die Ernennungsbulle ein, die Annes einstigen Kaplan Thomas Cranmer zum Primas der englischen Kirche erhob. Geraldine erfuhr davon wie üblich, lange bevor die offizielle Bekanntmachung erfolgte. Sie hielt ihre Quellen ohne viel Aufwand am Sprudeln. David, der blondgelockte Niederländer, lechzte danach, um ihretwillen die Lotterbetten des gesamten Landes auszuspionieren, denn er machte sich noch immer Hoffnungen, dafür in ihrem eigenen Bett zu landen. Mehr als ein paar Krumen, um seinen Appetit zu schüren, warf sie ihm jedoch nie hin.

Ein einziges Mal hatte er Geraldine einen Augenblick höchster Lust verschafft, süßer, als die vielgerühmte Liebe hätte sein können, und dafür hatte er das Ziel seiner feuchten Träume eine Stunde lang in den Armen halten dürfen. Aber das lag Jahre zurück, und bis zum Letzten war es nicht gegangen. »Gib mir mehr, und du bekommst mehr«, hatte sie ihn beschieden, doch mehr als in jener einen Nacht im Clink war ihr nie vergönnt gewesen.

Inzwischen machte sie sich kaum noch die Mühe, die gesammelten Informationen zu nutzen. Die Preise, die ihr dafür geboten wurden, besaßen keinen Reiz mehr. Nichts besaß Reiz. Manchmal kam es Geraldine vor, als sei sie den ganzen Tag lang damit beschäftigt zu gähnen. In den Nächten hatte sie allerdings begonnen, sich vor den Schatten an der Wand zu fürchten.

Außerdem zitterte sie. Bei Tag wie bei Nacht. Wenn erst der endlose Winter ein Ende fände, würde ihr Blut sich aufwärmen, sagte sie sich. Robert hatte einen Arzt kommen lassen, auf den die Damen bei Hof schworen. Sie leide an Blutmangel, hatte der teure Arzt festgestellt, an einem Ungleichgewicht der Körpersäfte, das häufig bei Frauen vorkomme, die keine Kinder empfingen. Er verschrieb eine Kur mit vier verschiedenen Tränken. »Wenn die Mittel bei meiner Frau anschlagen«, hatte Robert gefragt, »dürfen wir uns dann womöglich noch Hoffnung auf ein Kind machen?«

Er habe eine Patientin gehabt, die nach Heilung von jenem Mangel mit fünfundvierzig Jahren von einem gesunden Knaben entbunden worden sei, berichtete der Arzt. »Daran gemessen ist Eure Gemahlin im besten Alter. Nichts spricht dagegen, dass sie ein Kind empfängt, wenn erst einmal dem Mangel abgeholfen ist.«

Über Roberts Gesicht, das seit dem Verlust seines Postens geschrumpft war, hatte sich ein Leuchten gebreitet. Geraldine füllte jeden Morgen einen Becher mit einer Mischung der vier Flüssigkeiten ab und schüttete sie aus dem Fenster, wo die Hündin des Torwächters sie aufleckte. Vermutlich würde das Vieh im Frühjahr ein Dutzend Welpen werfen.

Whitehall war ihr von allen Palästen der verhassteste. Die Kälte strömte förmlich aus den Ritzen des Gemäuers, und auf den Gängen hallte die endlose Stille. Zwar hatte sie nach langem Drängen ein Zimmer auf der Südseite erhalten, bei dem sich das Mauerwerk angeblich tagsüber in der fahlen Sonne erwärmte, doch in Wahrheit war der Raum so unterkühlt wie der Rest des Gebäudes. Geraldine war trotzdem froh, ihn für sich allein zu haben. »Mir klappern die Zähne«, hatte sie zu Robert gesagt. »Solange dieses Ungleichgewicht in meinen Körpersäften nicht behoben ist, scheint es mir besser, wenn ich dein Lager meide.«

»Ich liebe



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