Keine Zeit für Arschlöcher by Horst Lichter

Keine Zeit für Arschlöcher by Horst Lichter

Autor:Horst Lichter [Lichter, Horst]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gräfe und Unzer Verlag
veröffentlicht: 2016-07-14T16:00:00+00:00


12. Der

Wilde von

Rommerskirchen

Ich habe über viele Dinge intensiv nachgedacht, als ich dieses Buch geschrieben habe. Tief in mich hineingehorcht und versucht, Erlebnisse aus meinem Leben neu zu bewerten. Es kamen ja in der Folge von Mutters schwerer Krankheit und Tod so viele Geschichten auf den Tisch, die ich für abgehakt gehalten hatte. Doch in Wirklichkeit hatte ich einfach nicht richtig über sie nachgedacht, dafür hatte mir auch die nötige Lebenserfahrung gefehlt. Die Weisheit und Erfahrung des 54-jährigen Horst unterscheiden sich doch sehr von der des 30-jährigen. Und weil ich begriff, dass unter dem Teppich eine große Menge verdrängter Erlebnisse lagen, denen ich mich besser stellen sollte, bevor sie mich stellen würden, legte ich einfach alles auf den Prüfstand und betrachtete alles aus jeder möglichen Perspektive. Eine unangenehme Sache, weil ich oft entdeckte, dass ich aus Harmoniesucht und Angst vor weiteren seelischen Verletzungen ein Verhalten entwickelt hatte, das mir immer weniger gefiel. Zunehmend hatte ich das Gefühl, dass Horst Lichter ein anderer war als nur der, der so gerne für sein Publikum spielte. Die ewig fröhliche, rheinische Frohnatur? Natürlich bin ich das auch sehr gerne, aber ich habe eben auch andere Seiten. Ich kann auch sehr fragil und verletzlich sein. Fröhlichkeit und Traurigkeit halten sich bei mir oft die Waage. Es merkt nur kaum einer, weil ich mich ja seit frühester Kindheit so sehr auf die Rolle des Clowns spezialisiert hatte. Doch irgendwann begann ich mich zu wundern, warum ich eigentlich so oft weinen musste. Schon als Kind weinte ich viel, was sich bis heute nicht geändert hat. Ob traurige Lieder, sentimentale Filme oder eine berührende Geschichte – ich bin nah am Wasser gebaut. Es dauerte lange, bis ich begriff, dass ich da einen großen Berg ungeweinter Tränen abtrage. Und das tut gut. Ich verstehe nicht, wenn Kindern eingetrichtert wird: »Heul nicht, Indianer kennen keinen Schmerz.« Oder wenn auf Beerdigungen das Lob ausgesprochen wird, dass »die Witwe sich aber ganz tapfer zusammengerissen hat«. »Zusammengerissen« – das ist doch schon so ein schreckliches Wort! Ich habe ein Kind verloren, und das war einer der schrecklichsten Momente in meinem Leben. Das gönne ich meinem schlimmsten Feind nicht. Aber noch schlimmer war, dass ich mich entschieden hatte, ganz tapfer zu sein, um allen anderen um mich herum Halt zu geben. Dabei bin ich innerlich unendlich tief gefallen und vor Verzweiflung fast verrückt geworden. Und die Tränen, die ich damals nicht geweint habe, die will und muss ich wohl noch alle loswerden. Darum tut mir jeder leid, der nicht weinen kann. Wenn Gott nicht gewollt hätte, dass wir weinen, dann hätte er uns auch keine Seele geschenkt. Darum sage ich heute: Wenn ihr traurig seid, dann weint! Und wenn ihr fröhlich seid, dann lacht, so laut ihr könnt und freut euch des wunderbaren Lebens! Ja, das Leben ist bis heute doch gut zu mir gewesen. Aber leicht – leicht war es von Anfang an nicht.

In meiner Schule in Rommerskirchen ging es zu wie an jeder anderen Schule in Deutschland: Die Klasse spaltet sich in viele Gruppierungen auf.



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