Kalle Blomquist by Astrid Lindgren

Kalle Blomquist by Astrid Lindgren

Autor:Astrid Lindgren [Lindgren, Astrid]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-03-22T23:00:00+00:00


BAND ZWEI

ELFTES KAPITEL

»Heute nacht wird es passieren!« sagte Anders ein paar Tage später.

Verschiedene Umstände hatten es mit sich gebracht, daß das Unternehmen, den Großmummrich in Sixtus’ Globus zu überführen, etwas aufgeschoben wurde. Erstens mußte man ja den Vollmond abwarten. Vollmond mußte sein. Das war magisch und gut und hatte außerdem den Vorteil, daß man sich in einem Zimmer zurechtfinden konnte, ohne die Taschenlampe zu gebrauchen. Zweitens hatten sie beim Postdirektor in den letzten Tagen Besuch gehabt. Die beiden jungen Tanten von Sixtus waren gekommen.

»Und man kann sich unmöglich in ein Haus wagen, wo aus allen Ecken und Winkeln eine kleine Tante hervorsieht«, sagte Anders, als Kalle ihn fragte, ob es nun etwas werde oder nicht. »Je mehr Tanten in einem Haus sind, desto größer ist die Möglichkeit, daß eine aufwacht und alles zuschanden schreit, verstehst du?«

»Ja, Tanten können einen sehr leichten Schlaf haben«, bestätigte Kalle.

Sixtus bekam jetzt zu seiner größten Verwunderung häufig unruhige Fragen gestellt, wie es seinen Tanten gehe und wie lange sie noch bleiben wollten. Schließlich wurde er nervös.

»Was soll das ewige Gefrage nach meinen Tanten?« sagte er, als Anders zum zehntenmal davon anfing. »Haben sie dir was getan?«

»Nein, natürlich nicht«, sagte Anders zahm.

»Na also«, sagte Sixtus. »Ich glaube, sie fahren am Montag wieder ab. Traurig genug. Ich kann sie gut leiden, besonders Tante Ada.« Nach diesem Bescheid getraute sich Anders nicht, wieder zu fragen. Sixtus konnte mißtrauisch werden.

Jetzt aber war Montag. Anders hatte gesehen, wie die Frau Postdirektor mit ihren Schwestern zum Frühzug gegangen war, und heute nacht sollte Vollmond sein.

»Heute nacht wird es passieren!« sagte Anders entschlossen.

Sie saßen in der Laube beim Bäckermeister und aßen frische Schnecken, die Eva-Lotte gerade ihrem schwachen Vater in der Backstube abgeluchst hatte. Vor einer Weile waren die Roten vorbeigezogen. Sie wollten zu ihrem neuen Hauptquartier im Herrenhof. Es waren ja nun dort keine Polizisten mehr. Die Prärie lag wieder friedlich und still. Der Herrenhof war als Unterschlupf viel zu gut, um aufgegeben zu werden, und die Roten hatten alles, was in der Nähe geschehen war, aus ihrem Gedächtnis gestrichen.

»Wenn ihr Appetit auf die Rute habt, kommt nur raus zum Herrenhof«, schrie Sixtus, als er bei Bäckermeisters vorbeiging.

Eva-Lotte schüttelte sich. Zum Herrenhof wollte sie nicht hinaus, unter keinen Umständen!

»Puh, bin ich satt!« sagte Kalle, als die Roten verschwunden waren und er seine siebente Schnecke verzehrt hatte.

»Aber ich erst!« sagte Anders und beklopfte seinen Magen. »Schadet aber nichts, wir haben heute gekochten Schellfisch zu Mittag.«

»Man soll so intelligent werden nach Fisch«, meinte Eva-Lotte. »Du solltest ruhig mehr gekochten Schellfisch essen, Anders.«

»Kaum«, meinte Anders. »Erst muß ich einmal wissen, wie intelligent ich davon werde und wieviel Fisch ich essen muß.«

»Es kommt natürlich etwas darauf an, wie intelligent man vorher ist«, mischte sich Kalle ein. »Für dich, Anders, reicht sicher ein normalgroßer Walfisch in der Woche ganz bequem aus.«

Als Anders Kalle dreimal um die Laube gejagt hatte und der Frieden wiederhergestellt war, sagte Eva-Lotte: »Ich bin neugierig, ob heute einige neue Gaben im Postkasten liegen. Ich verstehe nicht, was die Menschen sich so denken. In dieser Woche habe ich nur sechs Pfund Schokolade bekommen.



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