Juliregen by Iny Lorentz

Juliregen by Iny Lorentz

Autor:Iny Lorentz
Die sprache: de
Format: mobi, epub
ISBN: 9783426409503
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2011-06-23T22:00:00+00:00


XVI.

Am nächsten Tag ließ Maruhn sich vom Knecht des Wirts zur Bahnstation fahren und kaufte dort eine Fahrkarte dritter Klasse nach Bremerhaven. Nachdem er den Weg bisher in der ersten Klasse hatte zurücklegen können, fiel es ihm schwer, sich an die hölzernen Bänke und die eng zusammensitzenden Menschen zu gewöhnen. Außerdem war es laut, und es roch schlecht. Daher war er froh, als er den Zug einige Zeit später in Bremen verlassen und mit der Geestebahn nach Bremerhaven weiterfahren konnte.

Dort führte ihn sein erster Weg ins Kontor des Norddeutschen Lloyd. Am Empfang übergab er seine Visitenkarte und musste ein wenig warten, bis er zu einem höheren Angestellten der Reederei geführt wurde.

Der Mann in dunkelgrauem Anzug, grauer Krawatte und exakt gescheiteltem Haar sah seinem Besucher mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen entgegen. Maruhn wirkte in seinem altmodischen Anzug und mit seiner Behinderung nicht gerade imposant, dennoch strahlte er eine gewisse Autorität aus, der sich der NDL-Angestellte nicht entziehen konnte.

»Sie wünschen, mein Herr?«, fragte er.

Maruhn kramte umständlich in seiner Brieftasche und legte ihm die Bescheinigung vor, die bewies, dass er im Auftrag des Bankiers August von Grünfelder aus Berlin handelte. »Guten Tag! Ich spüre einem Juwelendieb nach, der unter dem Tarnnamen Baron Klingenfeld reist. Der Mann soll mit einem Ihrer Schiffe nach Amerika unterwegs sein.« Der Detektiv verschwieg bewusst, dass Klingenfeld tatsächlich Baron war, denn dann hätte der Angestellte die gewünschte Auskunft mit dem Hinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht möglicherweise verweigert. So aber verließ der Beamte sein Kontor und kehrte kurz darauf mit einem Ordner zurück.

»Hier sind die Passagierlisten. Wissen Sie vielleicht, wann dieser Verbrecher an Bord gegangen sein soll? Ich suche sonst bis morgen früh.«

»Der frühestmögliche Termin war diesen Donnerstag, eventuell auch Freitag. Finden Sie ihn da nicht, können Sie noch Mittwoch nachsehen, falls da ein Dampfer nach zwölf Uhr Mittag abgelegt hat.«

»Nein, nach Mittag ist da keiner mehr«, antwortete der NDL-Angestellte, während er in seinen Listen blätterte. »Ah, hier ist der Eintrag für Baron Klingenfeld. Er hat eine Passage auf der Aller bis Southampton gebucht.«

»Können Sie in Erfahrung bringen, ob Klingenfeld tatsächlich in England von Bord gegangen ist oder dort seine Passage bis nach New York verlängert hat?«

»Das wird etwas dauern, denn dafür muss ich nach Southampton telegrafieren!« Der NDL-Angestellte wollte schon das Zimmer verlassen, da hielt Maruhn ihn auf.

»Einen Moment bitte noch! Sollte Klingenfeld tatsächlich in Southampton das Schiff verlassen haben, fragen Sie bitte bei den anderen Reedereien nach, die diesen Hafen anlaufen, ob er mit einem ihrer Schiffe nach Amerika weitergereist ist.«

»Das wird ein wenig dauern. Soll ich einem der Kaffeemädchen auftragen, Ihnen eine Tasse zu bringen?«

»Ich wäre Ihnen sehr verbunden.«

Während der Mann eilig sein Kontor verließ, rieb Maruhn sich mit den Fingerspitzen die Schläfen. Sein Kopf schmerzte und er atmete auf, als ein junges Ding hereinkam und ihm eine Tasse Kaffee, Milch und Zucker brachte. Den Zucker schob er beiseite, goss aber Milch in den Kaffee, bis die Tasse überzulaufen drohte, und schlürfte das Getränk mit Genuss.

Der Angestellte kehrte früher zurück als erwartet. »Sie hatten recht!«, sagte er noch mit der Türklinke in der Hand.



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