Jahrhundertzeugen by Pröse Tim

Jahrhundertzeugen by Pröse Tim

Autor:Pröse, Tim [Pröse, Tim]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne Verlag
veröffentlicht: 2016-10-14T23:00:00+00:00


»Das Leben stellt sich zwischen jedes Leid«

Klaus von Dohnanyi über seinen Vater Hans und seinen Onkel Dietrich Bonhoeffer

Als am 9. April 1945 sein Vater Hans und am selben Tag auch sein Onkel Dietrich Bonhoeffer zum Galgen gehen mussten, war Klaus von Dohnanyi gerade mal 16 Jahre alt. Wenn man ihn heute fragt, was ihn damals aufrecht hielt, antwortet die SPD-Ikone: »Ich war körperlich und geistig wie jeder Junge auf die Zukunft ausgerichtet. Meine Widerstandskraft, um solch einen Schmerz zu überwinden, kam wohl aus der Kraft des Lebens, aus dem Lebenswillen. Das Leben stellt sich zwischen jedes Leid und das eigene Selbst. Keiner weiß, mit welchen Kräften man welche Widerstände im Leben besteht. Wie man sich aufrecht hält.«

Vielleicht hat ebendieses frühe Leid in seinem Leben seine Seele widerstandsfähig werden, ihn nicht zerbrechen lassen als Jugendlichen und später als jungen Ehemann. Als seine erste Frau starb, war er 29 Jahre alt. Und vielleicht wuchsen ihm ganz ähnliche Kräfte zu, wie sie auch sein Vater Hans in sich trug. Stärken, die Hans von Dohnanyi die andauernde Angst um sein Leben und die Zeit im KZ Sachsenhausen ertragen ließen. Doch einen Vergleich zwischen ihm und seinem Vater würde Klaus von Dohnanyi nie zulassen. Das geht bei ihm sogar so weit, dass man ihn nur äußerst selten über seinen Vater und sein Erbe sprechen hörte. »Das kann man ja auch nicht machen«, wehrt er heute noch ab. »Mut kann man nicht vererben. Und das Leid auch nicht.«

Klaus von Dohnanyi, Jahrgang 1928, Brandt-Vertrauter, ehemaliger Staatsminister im Auswärtigen Amt und von 1981 bis 1988 Erster Bürgermeister Hamburgs. Sein Vater Hans war einer der wichtigsten Männer des 20. Juli 1944. Ein Grab bekam er nicht. Denn die Nazis achteten darauf, dass von ihren Widersachern buchstäblich nichts blieb. Klaus von Dohnanyi vermutet, dass sein Vater »irgendwo im KZ Sachsenhausen verbrannt oder verscharrt wurde«. Da ist zwar ein Grab auf dem berühmten Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin, auf dessen Stein auch die Namen seines Onkels und seines Vaters eingraviert sind, die Gräber selbst aber blieben leer. »Meine Mutter war zunächst in Köln beerdigt. Auf ihrem Grabstein stand auch der Name meines Vaters. Ich habe meine Mutter inzwischen umbetten lassen. Sie liegt nun neben dem Gedenkstein für meinen Vater und Bonhoeffer auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof.«

»Meine Trauer«, erzählt er, »war stark bestimmt durch jene so spürbare und ihr Leben beendende Trauer meiner Mutter. Trauer war für uns daher mit dieser Nähe verbunden: Wir haben sie meiner Mutter immer angemerkt. Sie konnte sich von ihr nie befreien und starb 1965 mit 62 Jahren.«

Rund um Dohnanyis Haus an der Hamburger Außenalster neigen sich alte Bäume im Wind. Manchmal dringt Möwenkreischen in die Stille seines Arbeitszimmers, dessen hohe Altbauwände bis zur Decke von seiner Bibliothek bedeckt sind. Er schaut jetzt lange aus seinem Fenster in den weiten Garten seines Hauses.

Erinnert er sich auch an glückliche Augenblicke mit seinem Vater, frage ich ihn. Da gerät der sonst so nordisch zurückhaltende Dohnanyi fast ein wenig ins Schwelgen: »Er war sehr jung, in der Familie damals eher wie Väter heute.



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